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Magisterarbeit: Inhaltsverzeichnis
Eingestellt von Wolfgang Melchior am 07. 02. 2002 (1158 mal gelesen)
Thema Arbeiten in der Philosophie
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Wolfgang Melchior schreibt: Ausgewählte Kapitel der Magisterarbeit Zu John Rawls? "Theorie der Gerechtigkeit" in HTML zum Stöbern und Nachschlagen
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VORWORT.....5
EINLEITUNG.....6
1. Egalitaere und liberalistische Ansaetze - eine Gegenueberstellung.....8
2. Struktur der Theorie - ein Ueberblick.....11
3. Die zwei Methoden der Theorie der Gerechtigkeit - Kohaerenzmodell und Vertragsmodell.....13
4. Das Grundgeruest der Theorie der Gerechtigkeit.....21 4.1. Die Gesellschaft.....21 4.2. Die Grundstruktur.....22 4.2.1. Institutionen und Personen.....22 4.2.2. Grundgueter und Institutionen der Grundstruktur.....25
5. Das Fairnessprinzip und Gerechtigkeit als Fairness.....26 Exkurs zum Fairnessprinzip: die Institution des Versprechens.....33
6. Die Vierstufenfolge.....37
7. Der Urzustand.....38 7. 1. Die Bedingungen der Gerechtigkeit.....38 7.1.1. Die subjektiven und objektiven Bedingungen - die Parteien.....38 7.1.2. Die formalen Bedingungen.....40 7.2. Der Status des Urzustands und die Kantische Interpretation.....42
8. Ausschluss bestimmter Konzepte der Gerechtigkeit.....44 8.1. Egoistische Konzepte.....45 8.2. Intuitionistische Konzepte.....46 8.3. Teleologische Theorien.....47 8.4. Der Perfektionismus.....48
9 . Der Utilitarismus.....50 9.1. Entscheidungstheorie.....50 9.1.1. Konsequenzprinzip.....50 9.1.2. Das Konzept des Erwartungsnutzens.....51 9.1.3. Beziehung zwischen Nutzen und Praeferenzen.....53 9.1.4. Rawls? zusaetzliche Rationalitaetsbestimmungen.....54 9.2. Wohlfahrtsprinzip und soziale Wahl.....55 9.2.1. Zwei Wohlfahrtsfunktionen.....55 9.2.2. Pareto-Optimalitaet.....56 9.3. Symmetrieannahmen.....57 9.4. Rawls? Kritik am Summenutilitarismus.....58 9.5. Rawls? Kritik am Durchschnittsnutzenutilitarismus.....59 9.5.1. Verletzung der Integritaet der Person und fehlende Garantie von Rechten.....60 9.5.2. Personen keine Mittel zu Zwecken.....62 9.5.3. Interpersonelle Nutzenvergleiche.....63 9.5.4. Verwechslung von Unparteilichkeit mit Unpersoenlichkeit.....65 9.5.5. Zusammenfassung der extrakontraktualistischen Kritik am Utilitarismus.....66
10. Die Prinzipien im einzelnen.....67 10.1. Prinzip der groesstmoeglichen Freiheit und die erste Vorrangregel.....67 10.1.1. Freiheiten oder Grundfreiheiten?.....68 10.1.2. Freiheit allgemein.....69 10.1.3. Freiheitskonflikte.....71 10.1.4. Gleichheit der Freiheiten.....75 10.1.5. Freiheit und Wert der Freiheit.....77 10.1.6. Die erste Vorrangregel.....78 10.1.7. Einwand gegen die Freiheitswahl insgesamt: Unterschlagung der orthodoxen Wahl.....81 10.1.8. Zusammenfassung zum Ersten Prinzip und der Vorrangregel.....82 10.2. Das Differenzprinzip.....83 10.2.1. Die vier Interpretationen des Differenzprinzips.....83 10.2.1.1. Das System der natuerlichen Freiheit.....84 10.2.1.2. Das System der liberalen Gleichheit.....86 10.2.1.3. Das System der natuerlichen Aristokratie.....86 10.2.1.4. Das System der demokratischen Gleichheit.....87 10.2.2. Die soziale Kooperationskurve.....88 10.2.3. Das Verkettungsprinzip.....89 10.2.4. Diskussion des Differenzprinzips (mit Verkettung).....90 10.2.5. Vier Mess-
und Indexprobleme des Differenzprinzips.....95
11. Maximin.....97 11.1. Unplausibilitaet von Maximin.....98 11.2. Maximin im Urzustand.....101 11.2.1. Fehlen einer objektiven Basis.....101 11.2.1.1. Ungerechtfertigte Risiken und Wichtigkeit der Wahl.....101 11.2.1.2. Das Fehlen subjektiven Wissens von eigenem Risikoverhalten.....102 11.2.1.3. Mangelnde Kenntnis der Gewinn- und Verlustbilanz.....102 11.2.2. Einstellungen gegenueber Risiko.....103 11.2.2.1. Subjektive Wahrscheinlichkeiten in Entscheidungen unter Unsicherheit.....103 11.2.2.2. Der Mangel des Urzustandes.....105 11.2.3. Zwei weitere Gruende zur Rechtfertigung von Maximin.....106 11.2.3.1. Keine besseren Alternativen.....106 11.2.3.2. Sicherheitswahl - ein garantiertes Minimum?.....107 11.2.4. Vom PUG zum GWP vs. Maximin - Maximin als faires Gewichtungskriterium?.....108
12. Das Differenzprinzip als Verteilungsprinzip - zwei Interpretationen.....109 12.1. Maximinverteilungsprinzip.....109 12.2. Leximinverteilungsprinzip.....110 13. Zusammenfassung zu Maximin und Differenzprinzip.....111
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK.....112
ANHANG: Literaturhinweise.....121 Tabelle zur Vierstufenfolge.....129
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Magisterarbeit: Einleitung
Eingestellt von Wolfgang Melchior am 07. 02. 2002 (1566 mal gelesen)
Thema Arbeiten in der Philosophie
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Wolfgang Melchior schreibt:
"The assignment of weights is an essential and not a minor part of a conception of justice" (John Rawls, A Theory of Justice, p.41)
EINLEITUNG
Schon Aristoteles hatte Gerechtigkeit als zentralen Begriff der Ethik gesehen. Er nannte sie vollkommene Tugend, "weil ihr Inhaber die Tugend auch gegen andere ausueben kann und nicht nur gegen sich selbst"1. Als Sozialtugend, im Gegensatz zur Gewissenstugend, war Gerechtigkeit fuer ihn das Bindeglied zwischen Ethik, Oekonomie und Politik.
Gerechtigkeit, wenn mir diese vorlaeufige hilfsweise Definition gestattet sei, beschaeftigt sich mit allen Arten von Anspruechen und Rechten, die Personen gegeneinander anmelden koennen, insofern diese Ansprueche sich auf ein zu verteilendes Gut erstrecken. href="#2">2 Wesentlich verbunden damit war von Beginn an der Begriff der Gleichheit. Gerechtigkeit als Gleichheit meinte, dass Massstaebe und Kriterien zur Verfuegung stehen, nach denen Personen ihre Ansprueche ermitteln und durchsetzen koennen. So kannte Aristoteles im Zusammenhang mit der Gerechtigkeit zwei Begriffe von Gleichheit: die absolute Gleichheit und die proportionale Gleichheit.3 Entscheidend war, dass der Gleichheitsgrundsatz, welcher Form auch immer, auf einen Interessenausgleich abzielte. Gerechtigkeit war fuer Aristoteles die "Mitte" von Anspruechen und gerechtes Handeln war die Schlichtung durch eine Vermittlungsinstanz, die bestehende Normen anwendete. Diese Normen formulierten eine gesellschaftliche Rationalitaet, die selbst nicht in Frage stand.
Seit der aufklaererischen Idee von der Selbstbestimmung des einzelnen herrscht jedoch ein Spannungsverhaeltnis zwischen dem Gleichheitspostulat fuer gerechtes Handeln und der Forderung nach freier Entfaltung der Persoenlichkeit (Eigeninteresse). Die Normen der Vermittlungsinstanzen werden fraglich. Gleichheit wird jetzt nicht nur im Sinne eines universellen Geltungsanspruches oder im Sinne eines Interessenausgleichs, sondern auch als ein Moment verstanden, welches "natuerliche" Freiraeume von Individuen einengt. Das natuerliche Recht, all das zu tun, was mir bei der Verfolgung meiner Interessen recht und billig erscheint (vgl. den Hobbesschen Fool), konfligiert mit der Forderung, mich an verbindliche Normen zu halten, die fuer alle gleichermassen gelten und damit mit Rechten und Anspruechen anderer.4 Damit treten Freiheit und Gleichheit, individuelle und gesellschaftliche Rationalitaet auseinander.
Die angelsaechsische Tradition gab tendenziell der Freiheit den Vorzug, indem sie das Problem der Gerechtigkeit aus einer individualistischen Perspektive anging (methodischer Individualismus eines Locke, Hobbes). Die europaeische Tradition gab der Gleichheit den Vorzug, indem sie Gerechtigkeit aus einer gesellschaftlich holistischen Perspektive betrachtete.5 Dies spiegelt sich auch im Selbstverstaendnis der jeweiligen Gesellschaften wieder. Als etwa die Zeitschrift The Economist im Jahr 1992 eine Umfrage startete, in der u.a. Amerikaner und Deutsche gefragt wurden, ob ihnen Freiheit oder Gleichheit wichtiger sei, stimmten 72% der Amerikaner fuer Freiheit und nur 20% fuer Gleichheit, waehrend den Deutschen mit 39% Gleichheit wichtiger erschien als Freiheit mit nur 37%.6
Dieses genuin amerikanische liberale Selbstverstaendnis, in dem der Freiheit ein Vorrang eingeraeumt wird, findet sich auch in Rawls' A Theory of Justice aus dem Jahr 1971:
"First Principle
Each person is to have an equal right to the most extensive total system of equal basic liberties compatible with a similiar system of liberty for all.
First Priority Rule(The Priority of Liberty)
The principles
of justice are to be ranked in lexical order and therefore liberty can be restricted only for the sake of liberty.
There are two cases:
a) a less extensive liberty must stengthen the total system of liberty shared by all;
b) a less than equal system of liberty must be acceptable to those with lesser liberty" (TJ 235).
Jedoch, trotz dieses Vorranges der Freiheit, enthaelt der Rawlssche Ansatz ein aeusserst egalitaeres Moment: soziale und oekonomische Ungleichheiten werden aus der Position des "am meisten Benachteiligten" betrachtet. Rawls will damit das herleiten, was er "Tendenz zur Gleichheit" nennt. In Rawls Basiskonzept zu seinen zwei Prinzipien der Gerechtigkeit liest sich das so:
"General Conception
All social primary goods - liberty, opportunity, income and wealth, and the bases of self-respect - are to distributed equally unless an unequal distribution of any or all of these goods is to the advantage of the least favored" (TJ 302/3).
Auch bei Rawls stehen Vorrang der Freiheit und Tendenz zur Gleichheit in einem Spannungsfeld. Die vorliegende Arbeit setzt es sich zum Ziel, dieses Spannungsfeld abzugehen. Im Zentrum stehen dabei die zwei von Rawls entworfenen Prinzipien der Gerechtigkeit, ihre Herleitung und Begruendung. Weitgehend ausgeklammert werden das Prinzip der fairen Chancengleichheit und das Themenfeld der Gerechtigkeit zwischen Generationen (Prinzip der gerechten Sparrate).
Fussnoten:
1 Aristoteles (1985) 1129b, 31-33. Der eigentlich dahinterstehende Grund der Vollkommenheit liegt fuer Aristoteles im Prinzip des Masshaltens, welches seine gesamte Philosophie praegt (Politik, Poetik, Oekonomie). Das Vollkommene ist das "rechte Mass" als "Mitte zwischen einem Zuviel und Zuwenig". Genau dies ist das Recht, welches die Gerechtigkeit als Tugend besitze (vgl. Aristoteles (1985) 1132a, 15ff)Zurück zum Text
2 Dies soll alle moeglichen Faelle von Anspruechen beinhalten, nach denen Aristoteles seine drei Begriffe der Gerechtigkeit einteilt: - Einzelpersonen untereinander (kommutative G.) - Gesellschaft gegenueber den Einzelpersonen (gesetzliche G.) - Einzelpersonen gegenueber der Gesellschaft (distributive G.) Man mag hier einwenden, dass dies bereits einseitig die Interpretation von Gerechtigkeit als abstrakten Anspruch, als formales Recht und nicht die der Gerechtigkeit als die von konkreten Verteilungen favorisiere, jedoch geht es mir hier darum den normativen Charakter jeder Gerechtigkeitstheorie zu unterstreichen. Dies wird aus dem folgenden Passagen noch ersichtlich.Zurück zum Text
3 Vgl. dazu Treptow (1979), S. 12.Zurück zum Text
4 Ebenso sind die Versuche der Spieltheorie zu verstehen, Kooperation als rationale Selbstbeschraenkung eigennutzorintierter Spieler zu verstehen. Vgl. Gauthier (1991); Vossenkuhl (1992) Zurück zum Text
5 So besteht etwa Rousseaus Holismus in der Betonung der gesellschaftlichen Moralitaet. Moral wird eo ipso als die Tugend des Ganzen gesehen: "Der Tugendhafte ordnet sich in bezug auf das Ganze ein..., der Boese ordnet das Ganze in bezug auf sich selbst" (Emile, S. 263, vgl. S. 261). Der Naturzustand der Wilden (les savages), in dem die Selbstliebe ohne gesellschaftliche Abhaengigkeiten bestehen (Ueberlebenstrieb), wird zwar durch den citoyen mit seiner Selbstsucht (Egoismus) noch gesteigert, gleichzeitig wird das aber ausgeglichen durch die Ausbildung des Gewissens im Verlaufe der Zivilisation, das den Buerger zu einem ?tre moral macht. Dies ist auch die Klammer, die das Gemeinwesen zusammenhalten soll und als das Motiv jedes einzelnen fungiert, auf seinen Egoismus zu verzichten. In materialistischen Theorien ist diese Klammer ein soziales oder oekonomisches Prinzip: bei Marx die Allgemeinheit des kapitalistischen Tauschs und der
damit verbundene Begriff der Tauschgerechtigkeit (abstrakte Gleichheit als Mass von Austauschbarkeit). Bei Hegel ist es die Allgemeinheit als Bedingung, durch die sich die Besonderheit der Zwecke durchsetzt (Rechtsphilosophie, S.182 ff). Zurück zum Text
6 In: The Economist , 5. September 1992; Zit. n. Ostendorf (1995), S. 205. Ich unterstelle hier, dass es sich um ein relativ konstantes Muster amerikanischen Selbstverstaendnisses handelt.Zurück zum Text
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Magisterarbeit: Vorwort
Eingestellt von Wolfgang Melchior am 07. 02. 2002 (1322 mal gelesen)
Thema Arbeiten in der Philosophie
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Wolfgang Melchior schreibt:
Vorwort
Obwohl zu John Rawls? Theorie der Gerechtigkeit auch eine deutsche Uebersetzung vorliegt, habe ich mich entschieden, die amerikanische Ausgabe heranzuziehen. Dies hat vor allem zwei Gruende: zum einen ist die deutsche Uebersetzung, obwohl zweifellos - wie jede Uebersetzung - eine beachtenswerte Leistung, in vielen Punkten aber mißverstaendlich und fuehrt zu Ungereimtheiten, die ich mir und dem Leser ersparen wollte. Eine Aufzaehlung und Behandlung derselben in den einzelnen Faellen haette zu weit gefuehrt.
Zum zweiten wollte ich mich nicht selbst als Uebersetzer versuchen, da ich mich dann genoetigt gefuehlt haette, abweichende Uebersetzungen auch zu begruenden. Zentrale Begriffe, die im Verlauf des deutschen Textes vorkommen, werden durch kursiv und in Klammern gesetzte englische Originale erlaeutert.
In der Annahme, daß Englisch als internationale Sprache der Wissenschaft gilt, habe ich auch in diesem Sinne, andere englische Originaltexte, so weit sie mir zugänglich waren , als Zitiergrundlage herangezogen.
Im Verlaufe der Arbeit habe ich folgende Abkuerzungen verwendet: TJ = Theory of Justice, 1972 PL = Political Liberalism, 1993 JaF=Justice as Fairness, 1958
Alle anderen Abkuerzungen umstaendlich langer Wortungetueme werden durch den Text klar.
Klassiker werden nicht nach Jahreszahlen, sondern mit Angabe der Werke zitiert.
Die Seitenangaben beziehen sich auf den Originaltext. Ausgewählt wurden von mir die Kapitel, die für ein Gesamtverständnis mir ausreichend erschienen.
Die Nummern Fussnoten der Kapitel beziehen sich auf den fortlaufenden Originaltext.
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Magisterarbeit: Literaturhinweise
Eingestellt von Wolfgang Melchior am 07. 02. 2002 (1465 mal gelesen)
Thema Arbeiten in der Philosophie
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Wolfgang Melchior schreibt: Literaturhinweise
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Magisterarbeit: Zusammenfassung und Ausblick
Eingestellt von Wolfgang Melchior am 07. 02. 2002 (1919 mal gelesen)
Thema Arbeiten in der Philosophie
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Wolfgang Melchior schreibt:
Zusammenfassung und Ausblick
Rawls' zwei Prinzipien fussen auf der Ueberzeugung, dass moralische Prinzipien nicht aus dem Dilemma von Eigennutzen und Moral heraus konstruiert werden koennen. Das Kooperationsproblem (s.o.) kann nur dann geloest werden, wenn die dichotome Trennung zwischen einem streng eigennutzorientierten Handeln (Freiheit) und einem sich nach verbindlichen Normen richtenden Handeln (Gleichheit) aufgegeben wird. Die Klammer ist das Fairnessprinzip. Natuerlich findet diese Auseinandersetzung noch innerhalb der Begriffe statt, in denen das Kooperationsproblem formuliert wurde, jedoch versucht das Fairnessprinzip den schmalen Grad zwischen Norm und Eigennutz durch eine radikale Interpretation von Reziprozitaet und Symmetrie abzugehen.
So ist das Verfassungsspiel kein geschlossenes Spiel, sondern ein Spiel, welches zukuenftige Auszahlungen unbestimmt laesst und nur einen Rahmen von sehr allgemeinen Regeln zu geben versucht. Ich moechte jetzt die Plausibilitaet und Stimmigkeit der Prinzipien nicht noch einmal diskutieren, dies ist bereits oben geschehen mit dem Ergebnis, dass Rawls'zwei Prinzipien und auch ihre Ableitung aus dem Urzustand einige schwere Maengel enthalten. Ihr Hauptmangel mag darin bestehen, dass Rawls oft so tut, als ob das Ableitungsverfahren eine Angelegenheit von moralischer Geometrie (moral geometry) ist, also irgendein axiomatisches Verfahren darstellen soll.
Unbestreitbar ist, dass Rawls von Praemissen ausgegangen ist, die selbst nicht explizit in seiner Theorie auftauchen. Diese ideologischen Praemissen sind jedoch nicht versteckt, sondern allenthalben spuerbar: die Grundsaetze der westlichen Verfassungen und eines modernen Sozialstaates mit seinen Umverteilungsaufgaben, die einen sozialen Minimalkonsensus bereitstellen.
Dem entgegenzuhalten, dies wuerde den Rawlsschen Ansatz zu einer Rechtfertigungsstrategie bestehender Verhaeltnisse zu machen, verkennt den theoretischen wie historischen Ort der Theory of Justice. Rawls formulierte seine Theorie als Alternative zum bestehenden utilitaristischen Paradigma. Entscheidend ist nicht, ob er recht mit seinem Vorwurf hat, der Utilitarismus mit seiner Wohlfahrtsoekonomie koenne das Interesse des einzelnen nicht verankern, sondern dass er mit seiner Theorie die Frage der gerechten Verteilung, die vorher weitgehend unter dem Paradigma der Pareto-Optimalitaet und des Marktes diskutiert wurde, als politische und ethische Frage auf die Tagesordnung gebracht hat. Politisch, in dem Sinne, in dem jetzt Fragen der Verteilung Folge von Vereinbarungen sind. Ethisch in dem Sinne, in dem den Gesellschaftsmitgliedern Rechte und Ansprueche garantiert werden.
Viel wichtiger erscheint mir jedoch die Frage der Methode, also wie aus einem hypothetischen Vertrag moralische Prinzipien "abgeleitet" werden koennen, die fuer uns irgendeine praktische Konsequenz haben sollen. Unabhaengig davon, ob die Prinzipien im einzelnen einleuchtend, plausibel oder richtig abgeleitet sind, stellt sich die Frage, wie die Kluft zwischen Urzustand und Jetzt-Zustand ueberbrueckt werden und welche bindende moralische Wirkung aus der Anerkennung von hypothetisch erschlossenen Prinzipien erwachsen kann.
Um mit der Gegenthese zu beginnen:
"A hypothetical contract is not simply a pale form of an actual contract; it is no contract at all."154name="t154">
Dworkin kritisiert hier den Rawlsschen Urzustand in einer typischen Weise. Die einfache und zugleich komplizierte Frage ist die, ob aus dem Interesse in einer hypothetischen Situation irgendetwas fuer mein aktuales Interesse folgt. Die Parteien sind nach der konstruktivistischen Auffassung aequivalent mit jedermanns hypothetischem Selbst, welches das Gedankenexperiment des Urzustandes vollzieht. Rawls verwendet die Parteien nur, um das Gedankenexperiment prozedural aufzuloesen. Die Frage des gesamten Rawlsschen Systems ist also, welche Beziehung zwischen Wir/Ich(aktual) und Wir/Ich(Urzustand) herrscht. Folgt aus Entscheidungen Ich(Urzustand) irgendetwas fuer Ich(aktual)? Die Frage ist in zweierlei Hinsicht relevant:
1.) einmal sollte es der Sinn von Ethik sein, Theorien zu generieren, die eine praktische Konsequenz fuer uns besitzen. Normen sollen eben Richtlinien fuer Handeln abgeben. Reine Gedankenexperimente sind fruchtlos und dienen bestenfalls der philosophischen Erbauung.
2.) zum zweiten ist von Interesse, inwieweit bestimmte Hypothesen in unseren aktualen moralischen Urteilen wirklich eine Rolle spielen.
Die praktische Konsequenz einer philosophischen Ethik kann bestenfalls darin bestehen, gute Gruende zu liefern, etwas zu tun oder es zu unterlassen.155 Dann stellt sich die Frage so: reichen die guten Gruende (etwas zu tun oder es zu unterlassen), die ich als Ich(Urzustand) habe, aus, auch gute Gruende fuer Ich(aktual) zu sein. Die Antwort ist automatisch die: das haengt davon ab, wie Ich(Urzustand) aussieht.
Unwahrscheinlichkeit:
Konstruiert man etwa ein Ich(Urzustand), welches sich auf der Enterprise befindet und das Problem hat, die Konfoederation zu retten, dann sind die Gruende des Ich(Urzustand/Enterprise) offensichtlich andere als im Rawlsschen Urzustand. Die Gruende sind eben trivialerweise nur so gut, wie eine Beziehung zwischen Gruenden Ich(Urzustand) und Gruenden Ich(aktual) besteht. Es mag also Gruende geben, dass es in meinem hypothetischen Enterprise-Interesse ist, alle Klingonen politisch zu beteiligen, welchselbiges aber recht wenig Gruende liefert, dies auch aktual zu tun, einfach, weil es keine Klingonen gibt. Wir sind also wenig bereit, die Gruende von Ich(Enterprise) anzuerkennen, weil der Zustand uns zu unwahrscheinlich erscheint.
Unsicherheit:
Jedoch konstruiert Rawls den Urzustand nicht als einen unwahrscheinlichen Zustand, sondern einen Zustand von Unsicherheit, der das Ich(aktual) bar jedes empirischen Wissens ueber seine eigene Position begreift. Hier hat Ich(Urzustand) kein oder kaum Wissen ueber sich selbst, waehrend Ich(aktual) volles Wissen ueber Ich(Urzustand) besitzt. Die Idee ist, dem Ich(aktual) Verhandlungsvorteile zu nehmen, die es unter vollem Wissen hat. Die Frage ist jetzt wieder: sind die Gruende, die Ich(Urzustand) in einem Zustand solcher Unsicherheit hat, auch ausreichende Gruende fuer Ich(aktual)? Nun gibt es zwei Wege, sich dieser Frage zu naehern:
a) Man geht von wahrscheinlichen Faellen aus: die kontrafaktische Berufung.
b) Man kuemmert sich nicht um Wahrscheinlichkeiten: die guten Gruende der Fairness.
ad a)
Vom Urzustand in den Aktualzustand:156name="t156">
Hier wird der Urzustand mit einem alltaeglichen Zustand unter Unsicherheit verglichen. Ein Ich(Urzustand) stellt sich die Frage, wie es in einer bestimmten Situation handeln soll. Es waehlt die Alternative, die ihm am besten erscheint, wobei die beste Alternative relativ zu seinem mangelnden Wissen erfolgt. Hat sich die Situation dann in Richtung eines vollen Wissens geaendert (eine Alternative ist eingetreten), dann kann sich herausstellen, dass die Gruende, die unter Unsicherheit fuer eine bestimmte Wahl beigebracht wurden, voellig falsch sind. Die Gruende, die Ich(Urzustand) fuer etwas hat, koennen sich im Zustand Ich(aktual) als voellig falsch herausstellen.
Vom Aktualzustand in den Urzustand:
Hier ist die Frage, welche guten Gruende Ich(aktual) besitzt, um sich als Ich(Urzustand) zu begreifen. Offensichtlich ist es so: je mehr Vorteile (Vermoegen, Einkommen, Wohlstand, Macht) Ich(aktual) besitzt, desto weniger ist es bereit, von diesen abzusehen und sich in einen egalitaeren Zustand zu begeben, in dem diese nicht mehr angewendet werden duerfen. Daher die Frage: ist es fair fuer Ich(aktual), von Vorteilen abzusehen, nur weil es ein Interesse haette, waere es in einer nicht so vorteilhaften Position? Das heisst, selbst wenn ich im Urzustand bestimmte Gruende haette, einer Vereinbarung zuzustimmen, warum sollte ich dem Urzustand jetzt zustimmen?href="#157">157 Dworkin gibt dazu ein Beispiel: zwei Pokerspieler stellen mitten im Spiel fest, dass eine Karte im Stapel fehlt. Spieler 1 meint, dass damit das Spiel nicht mehr regulaer ablaufen koenne und schlaegt vor, die Karten zusammenzuwerfen. Spieler 2, der jedoch ein Superblatt haelt, widerspricht energisch. An der Einstellung von Spieler 2 aendert sich auch nichts, wenn Spieler 1 sich nun darauf beruft, dass, haette Spieler 2 gewusst, dass eine solche Situation eintreten wuerde, er dem Vorschlag von Spieler 1 zugestimmt haette.158
Beide Verfahren stellen also fest,
(1) dass Gruende fuer eine Wahl unter Unsicherheit voellig andere sind als solche unter vollem Wissen.
(2) und dass deswegen die Gruende der Wahl von Ich(Urzustand) keine Gruende fuer die Entscheidung von Ich(aktual) sein koennen.
Dworkin schlaegt deshalb vor, den Urzustand als Zustand mit vollem Wissen zu konstruieren, jedoch Verhandlungsvorteile durch den Ausschluss unfairer Prinzipien zu beseitigen. Ich moechte auf diesen Vorschlag nicht weiter eingehen, jedoch waere es interessant, was Dworkin als unfair principles ansieht.
ad b) Rawls wuerde darauf folgendermassen antworten:
(1) ist trivialerweise richtig, wie es trivialerweise richtig ist, dass meine Beduerfnisse und Interessen eben verschieden sind, wenn ich bestimmte Dinge nicht weiss und dass deswegen meine Gruende anders sein muessen. Der "Einwand" ist dann ziemlich leer, da er nur sagt, Gruende seien etwas Epistemisches. Liegt damit das Problem von Rawls' Ansatz wirklich darin, dass Entscheidungen unter Unsicherheit verschieden sind von solchen unter Sicherheit? Wohl kaum.
Rawls bestreitet dies, weil er (2) bestreitet. Trotz der Verschiedenheit der Situationen muessen die Gruende fuer die Entscheidungen nicht auch verschieden sein. Vielmehr sagt er, dass es etwas gibt, das die Gruende fuer Ich(Urzustand) zu denen von Ich(aktual) macht und umgekehrt.
Diese gemeinsame Basis beider Entscheidungen ist das Fairnessprinzip, welches ich jetzt, ausgehend von der Diskussion oben, in einem weiteren Zusammenhang interpretieren moechte.
Das Fairnessprinzip verlangt
- einmal allseitige Vertragseinhaltung im Sinne einer Kooperation (s.o., Kapitel "Fairnessprinzip"),
- die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses (Vetorecht),
- aber es verlangt vor allem den Gesellschaftsvertrag selbst.
Nachdem die ersten beiden Merkmale bereits diskutiert wurden, moechte ich hier auf das dritte Merkmal eingehen, da es sich mit der Frage beschaeftigt, warum der Vertrag geschlossen werden soll, d.h., welche Gruende es fuer Ich(aktual) gibt, sich von Entscheidungen von Ich(Urzustand) abhaengig zu machen.href="#159">159 Nun gibt es immer Gruende, warum ein Vertrag nicht geschlossen wird: der Hauptgrund ist eben der, dass ich mir keine Vorteile davon verspreche oder keine Vorteile davon habe (siehe Pokerbeispiel oben). Rawls' Hauptargument fuer die Behauptung, dass das Fairnessprinzip auch zur Vertragsschliessung ausreicht, liegt meiner Ansicht nach in Folgendem:
Die Vorteile, die Ich(aktual) hat, sind moralisch irrelevant.
Wenn also wie oben gefragt wird, welche Gruende bestehen, von seinen Vorteilen abzusehen, dann hinterfragt Rawls dies noch einmal: "Wer garantiert mir, dass diese Vorteile auch gerechtfertigt sind?" Gerechtfertigt moegen Vorteile zwar oekonomisch oder psychologisch sein (mehr Leistung, mehr Faehigkeiten usw.), aber Rawls' Frage ist eben: sind sie es auch von einem moralischen Standpunkt aus, also einem Standpunkt, der den grundlegenden "formalen Bedingungen des Rechten" genuegt: Allgemeinheit und Universalitaet?
Rawls bestreitet nicht, dass es Rechtfertigungstheorien fuer Vorteile gibt ("jedem nach seinem x", woraus folgen soll, dass derjenige, der mehr x hat, auch mehr bekommen soll), jedoch sagt er, diese seien alle zirkulaer oder Pseudorechtfertigungen: letztendlich ist die Tatsache, dass ich (=Namen eines Individuums) diesen Vorteil besitze, nicht vollstaendig von meinen Handlungen und Intentionen abhaengig. Dworkins Beispiel spricht da Baende: vom moralischen Standpunkt aus ist es voellig unerheblich, ob Spieler 1 oder Spieler 2 das bessere Blatt hat. Vor- und Nachteile sind zufaellig verteilt worden. Zu sagen, es sei unfair, einem von beiden in dieser Situation zuzumuten, seinen Vorteil aufzugeben, zeigt nicht, dass der hypothetische Vertrag unfair ist (Spieler 1 zu 2: "Du haettest meinem Vorschlag zugestimmt, haette ich dich vorher gefragt", aber er ist vorher eben nicht gefragt worden), sondern, dass es geradezu geboten ist, eine Konfliktloesung bereits vorher (im Urzustand ) zu finden, die den Rahmen absteckt fuer Situationen, in denen Interessenkonflikte auftreten. Aus eben diesem Grund sind nahezu saemtliche Einwaende gegen den hypothetischen Vertrag wirkungslos: sie bieten keine Konfliktloesungen an, sondern nur Beispiele, in denen die unter bestehenden Ungleichheiten geschlossenen (inneren) Vertraege nicht mehr funktionieren. Dworkin sagt uns nicht, was die Spieler in der Situation tun sollen, er meint nur, dass der Vorschlag von Spieler 1 unfair ist.
Diese Unterbestimmtheit der Vorteile reflektieren auch Oekonomie und Soziologie: der soziale oder oekonomische Ort eines Individuums mag zwar durch allerlei Ansaetze erklaert und oft auch gerechtfertigt werden, jedoch will Rawls wissen, ob dies auch dem einzelnen Individuum gegenueber gerechtfertigt werden kann. Dabei geht es nicht darum, ob dies tatsaechlich jedem einzelnen gespraechs- oder vertragsweise vermittelt wird, sondern, ob die Anspruchstheorien nur das verewigen, was unabhaengig von menschlichen Handlungen bereits da ist. Das Individuum befindet sich bei seiner Geburt bereits an einer sozialen Position, ohne gefragt worden zu sein, ohne etwas dafuer oder dagegen getan zu haben. Dies ist u.a. auch das, was Rawls mit dem Begriff der "Lotterie der Natur" meint, die sich den aktualen Interessen bzw. den Verteilungen von Vorteilen gegenueber kumulativ verhaelt: die Vorteile reflektieren die ungleichen Startbedingungen. Diese zu rechtfertigen hiesse, dem Armen die Schuld fuer seine Armut zu geben oder gleichgueltig die Schultern hochzuziehen - eine ebenso ungeeigneter Ansatz, wie Armut altruistisch aufzuheben.
Es ist unuebersehbar, dass Rawls zwischen der Sozialisierung des Interesses und seiner Individualisierung hin und her schwankt. Das zeigen die beiden vorigen Absaetze: einmal wird der Standpunkt der Unparteilichkeit eingenommen, einmal der Standpunkt des einzelnen. Ist dies wieder das Dilemma zwischen individueller und gesellschaftlicher Rationalitaet? Ich glaube nicht. Der gemeinsame Nenner beider Perspektiven ist die Reziprozitaet im Sinne der Kontingenz von Vorteilen:
"The two principles of justice mentioned seem to be a fair agreement on the basis of which those better endowed, or more fortunate in their social position, neither of which we can be said to deserve, could expect the willing cooperation of others when some workable scheme is a necessary condition of welfare for all. Once we decide to look for a conception of justice that nullifies the accidents of natural endowment and the contingencies of social circumstances as counters in quest for political and economic advantage, we are led to these principles. They express the result of leaving aside those aspects of the social world that seems arbitratry from a moral point of view"(TJ 15).
Die Reziprozitaet der Kontingenz von Vorteilen heisst also: Beguenstigt oder benachteiligt kann jeder sein aufgrund der "Lotterie der Natur".160 Der Gesellschaftsvertrag ist damit ein Vertrag aller gegen die "Lotterie der Natur". Der Begriff der Kontingenz (oder "Lotterie der Natur") darf jedoch nicht missverstanden werden als undurchschaubarer, goettlicher Wille oder purer Zufall. Es reicht fuer Rawls, wenn
- natuerliche Ausstattungen ungleich verteilt sind,
- diese in den oekonomischen Ausstattungen sich widerspiegeln,href="#161">161
- soziale Positionen durch unseren Intentionen und Faehigkeiten unterbestimmt sind,
- gemaessigte Knappheit herrscht,
- der Allokationsapparat (=Markt) blind gegenueber Fragen einer gerechten Verteilungen ist.
Der Urzustand argumentiert also aus der Position, dass es prinzipiell fuer jeden einzelnen moeglich ist aufgrund natuerlicher, sozialer und oekonomischer Kontingenzen zu den Benachteiligten zu gehoeren.
Der Einwand, dass wir eben mit diesen Kontingenzen und Unwaegbarkeiten leben muessen, weil sie keine bestimmten Individuen benachteiligt oder bevorzugt, laesst Rawls nicht gelten. Das hiesse fuer ihn ganze Existenzen von der "Lotterie der Natur" abhaengig zu machen.162name="t162">
Diese Perspektive ist letzten Endes individualistisch. Sie betrachtet den einzelnen nur als Traeger eines Vetorechts gegen die "Lotterie der Natur" oder anders ausgedrueckt: keiner kann gezwungen werden, sich an Vertraege zu halten, die von Bedingungen abhaengig sind, die bereits fundamentale und kontingente Ungleichheiten enthalten. Aber: jeder muss sich an Vertraege halten, die er zuvor unter fairen Bedingungen geschlossen hat.
Die Zwingendheit dieses Arguments resultiert meiner Ansicht nach auch daraus, dass selbst wenn es eine Theorie gaebe, die erklaeren und rechtfertigen koennte, dass jedes Individuum genau das besitzt, was ihm zusteht, dann noch nicht ausgemacht waere, dass sie fuer jedes Individuum auch akzeptabel ist.href="#163">163 Die Unhintergehbarkeit individueller freiwilliger Entscheidung ist fuer Rawls konstitutiv.
Rawls betrachtet die Startbedingungen des Individuums als kontingent, seien sie natuerlich, sozial oder oekonomisch. Von nahzu saemtlichen wissenschaftlichen wie weltanschaulichen Richtungen war damit die Kritik bereits vorprogrammiert. Sie zielte in eine Richtung: diese Kontingenz zu bestreiten.
Mit seinem Buch Liberalism and the Limits of Justice (1982) hatte Sandel in der Philosophie diese Richtung angezeigt, die sich in den folgenden Jahren immer deutlicher herauskristallisieren sollte: Rawls vertritt eine Theorie des ungebundenen Selbst (unencumbered self ).
Rawls' Konstruktion des mit dem Interesse verbundenen Individuums sei:
- atomistisch
- voluntaristisch
- subjektivistisch
Rawls tue so, als ob die qualitativen Bestimmungen des einzelnen frei gewaehlt seien, als ob personale Identitaet eine Sache des freien Waehlens ist. Sandel setzt dem entgegen, dass das Selbst (self) die Konzepte des Guten, wozu jetzt Werte wie Ziele gehoeren, nicht frei waehlt, sondern sie "ist". ("es hat sie nicht, es ist sie")164
Sandels Kritik laeuft darauf hinaus, den autonomen Subjektbegriff von Rawls zu konterkarieren. Die Parteien (auch Ich(Urzustand)) unterliegen nur Bedingungen, die alle gleich und frei machen. Die Entscheidungen, die dann getroffen werden, sollen Ausdruck unser aller vernuenftigen Natur sein (siehe Kantische Interpretation des Urzustandes).
Dem setzt Sandel entgegen, Individuen wuerden ihre Identitaet nicht waehlen, sondern sie vorfinden. Die
Formel vom Vorrang des Rechten vor dem Guten tue so, als ob das Individuum unabhaengig von seinen Zielen existiere. "As the right is prior to the good, so the subject is prior to its ends"href="#165">165 lautet die Kritik Sandels an Rawls. Dabei wird nicht bestritten, dass der Urzustand vorstellbar ist, sondern ob er irgendeine moralische Relevanz hat, wenn die Parteien keine Entscheidungen als Personen treffen koennen. Entscheidungen ohne bestimmte Ziele sind leer, sind keine Entscheidungen.166
Dabei weitet Sandel seine Kritik auf saemtliche deontologische Theorien aus. Der Vorrang des individuell Rechten (Vetorecht im Urzustand und Grundrechte in der wohlgeordneten Gesellschaft) vor dem gesellschaftlich Guten, hat nur den Zweck, die Willkuerfreiheit167 des einzelnen zu zementieren. In einem Wort: der Schleier muss(te) gelueftet werden.
Die Trennlinie zwischen Rawls und Sandel (und dem Kommunitarismus) verlaeuft jetzt genau dort, wo es um die Frage geht, wie einzelne ihr Interesse formulieren und wahrnehmen koennen.168
Lueftung erster Teil: Interdependenz der Interessen
Interessen, ob in einem schmalen oder breiteren Konzept des Guten, sind voneinander abhaengig, sie koennen nicht so betrachtet werden, als ob Personen ihre eigenen Interessen nur dann voll wahrnehmen koennen, wenn sie autonom handeln. Fuer Interessen ist also ihre gegenseitige Abhaengigkeit konstitutiv.
Lueftung zweiter Teil: Pluralismus
"But it also reduces social to individual choice and eliminates the ethical dimension, rendering redundant the whole subject of public choice, so that, except trivially, distributional choice requires neither a social welfare function nor a moral theory for its justification"169 , lautet die Kritik am Urzustand, in dem eine Pluralitaet von Interessen gar nicht vorkommen kann. Wenn Interessen voneinander abhaengig sind und dies ein Definiens von personaler Identitaet ist und sie in Konflikt geraten, dann ist ein Urzustand wenig attraktiv, der die Identitaeten der Parteien verschleiert, indem er die Abhaengigkeit der Interessen unterbindet. Deswegen muss von einer Pluralitaet von Interessen ausgegangen werden. Die "ethische Dimension" besteht im Zugestaendnis, dass wir verschiedene, interdependente Interessen in moralischen Prinzipien zu beruecksichtigen haben.
Lueftung dritter Teil: Komplexe Gleichheit (complex equality)
Keine Identitaet ohne Interdependenz der Interessen. Die Interdependenz ist nicht beliebig, sondern gebunden an ganzheitliche Strukturen: Familie, Betriebe, Vereine, Klassen, Nationen. Diese Strukturen legen fest, was als das sozial Gute anzusehen ist: jedes Individuum hat als Knotenpunkt dieser Strukturen ein Buendel heterogener Praeferenzen und Interessen. Einfache Gleichheit als Gleichheit von Grundguetern reicht dann nicht mehr aus. Vielmehr ist Gleichheit komplexer: was als gleich anzusehen ist, haengt davon ab, was das nunmehr eingebundene Selbst ("encumbered self "?) als Verteilungskriterien innerhalb seines sozialen Netzes betrachtet. Plurale Gleichheit soll dem Umstand Rechnung tragen, dass es plurale Konzepte des Guten gibt.
Lueftung vierter Teil: Historizitaet
Es gibt ein encumbered self, eingebettet in ganzheitliche Strukturen, die sich aus der unhintergehbaren Interdependenz der Interessen ergeben (1.- 3. Teil). Diese Strukturen sind nicht einmalig und gegeben, so wie ein Urzustand einmalig ist, sondern sie sind historisch entstanden. Die Interessen sind damit nicht nur interdependent (plus der daraus gewonnenen weiteren Merkmale oben), sondern sind entstanden.
Ich glaube, die Diskussion hat gezeigt, dass Rawls ueberall dort in Schwierigkeiten geraet (speziell mit dem Differenzprinzip), wo er diese Bedingungen der Zeit und konkreter Interdependenzen uebergeht. Fragen der Verteilungsgerechtigkeit sind nicht restlos loesbar ohne Bezugnahme auf empirische Groessen, die sagen was und wieviel verteilt wird. Ebenso sind Freiheitskonflikte kaum abstrakt loesbar, wenn nicht klar ist, zu welchen Interessen sie verwendet werden.
Jedoch, sind dies Einwaende gegen Rawls' Begriff der Fairness? Rawls hatte behauptet, Vorteile (oekonomische, soziale wie natuerliche Ungleichheiten) seien moralisch irrelevant. Die Kritiker behaupten, sie seien moralisch konstitutiv. Kann man diese Pattsituation dadurch loesen, indem man nicht den Unterschied zwischen einer praeskriptiven und deskriptiven Moral aufgeben will? Mit anderen Worten: reden beide nicht aneinander vorbei? Rawls fragt nach einem allgemeinen Prinzip, von dem er glaubt, dass wir in der Tat bereit sind, es zu akzeptieren, wenn wir einen moralischen Standpunkt einnehmen. Dieser kocht herunter auf Reziprozitaet von Beginn an und enthaelt die zwei ersten formalen Bedingungen von Allgemeinheit und Universalitaet des Rechten wesentlich. Wenn er danach fragt, ob Fairness einen Standpunkt formuliert, den wir in der Tat akzeptieren, dann ist dies der Vorschlag, wir sollten Fairness zur Praemisse von moralischen Urteilen machen. Und dafuer gibt er Gruende an. Dem entgegenzusetzen, die Gruende seien falsch, weil es keine Fairness im Sinne eines autonomen Individuums gibt, geht offensichtlich am Vorschlag vorbei. Das hiesse so viel wie der Praeskriptivitaet von Rawls' Ansatz, das deskriptive Verdikt entgegenzusetzen, dass Fairness nicht existiert. Aehnlich der Antwort, ein hypothetischer Vertrag sei gar kein Vertrag.
Den Schleier aufgerollt - Interdependenzen und Pluralismus
Rawls ist dem Kommunitarismus schon entgegengekommen: das Konzept des overlapping consensus rueckt nun die Frage der Interdependenzen der Interessen und den Interessenpluralismus in den Vordergrund.170 Damit hat sich Rawls meiner Ueberzeugung nach bereits vom Konzept des autonomen Individuums geloest. Auch wenn er jetzt den "Archimedischen Standpunkt" in die Region eines metaphysischen Allgemeinen, des Vernuenftigen (reasonable), im Gegensatz zum pluralen Verstandesmaessigen (rational), rueckt: Individuen sind nicht mehr ohne ihre Ziele denkbar, die thin theory of the good , die den Parteien ein Wissen ihrer Nutzenfunktionen und Weltanschauungen verboten hat, wird weitgehend fallengelassen.
Jedoch haelt Rawls noch am Konzept der gegenseitigen Versicherung gegen Kontingenz fest. Ich moechte dies abschliessend im Sinne einer Tiefentheorie der Geschichte interpretieren.
Rawls unterschlaegt empirische Historizitaet nicht aus dem Grund, weil sie dem ideologischen Konzept des autonomen Individuums zuwiderlaeuft. Das ist zweitrangig. Vielmehr will er dadurch dem kumulativen Effekt der Kontingenzen Rechnung tragen. Dieser Effekt ist selbst historisch: ungleiche Startbedingungen fuehren zu sozialen Ungleichheiten, soziale Mobilitaet hin, offene Gesellschaft her. Geschichte als kontingent zu betrachten ist damit die - vielleicht zu pessimistische - Auffassung, dass Geschichte (nur bis jetzt?) Geschichte von Herrschaft ist, immer wieder durch neue Kriterien von Ungleichheit vermittelt. So ist fuer Rawls die Ungerechtfertigtheit der Anspruchstheorien nicht nur eine Frage einer alles als kontingent stipulierenden Theorie, sondern der geschichtlichen Praxis: ob anthropologisch (Sklavenhaltergesellschaft), genealogisch (Aristokratie), biologisch (Faschismus) oder meritologisch (Kapitalismus), immer laesst sich das gleiche Muster ablesen: die Rechtfertigung bestehender Ungleichheiten aufgrund bestimmter unhinterfragbarer "Wesensmerkmale". Fuer Rawls beinhaltet die Betrachtung der Geschichte als kontingent die Konsequenz, den naturalistischen Fehlschluss der Anspruchstheorien zu vermeiden: dem Nozickschen Erstankoemmling auf der Insel nicht Exklusivrechte am "gerecht angeeigneten" Eigentum zu ueberlassen, natuerliche Begabungen sozialbindend einzusetzen, die Allokationsmechanismen des Marktes weder als moralisch neutral noch als moralisch gerechtfertigt, sondern als moralisch irrelevant aufzufassen.
Die tiefenhistorische Dimension von Rawls' Kontingenzthese soll daran erinnern, dass Geschichte vielleicht auch das ist, was Marx als Geschichte von Klassenkaempfen beschreibt. Dieser Begriff von Kontingenz der Geschichte macht Rawls' Theorie prinzipiell offen fuer historische Theorien. Nach Rawls' Ansicht muessten sie jedoch alle zu denselben Ergebnissen gelangen: dass es immer Beguenstigte und Benachteiligte gibt. Natuerlich verkuerzt dies den Blickwinkel ganz erheblich und nicht umsonst operiert Rawls' oekonomisches Modell nur mit zwei Einkommensgruppen: den am meisten Benachteiligten und den am meisten Beguenstigten . Und ebensowenig kann man uebersehen, dass dadurch ein reales Marktgeschehen, ob mit oder ohne Externalitaeten, zum effizienten Vermittlungsapparat nur von natuerlichen Gaben gemacht wird. Eine Rawlssche Theorie braucht dies jedoch nicht so sehr kuemmern wie eine genuin historische. Fuer sie reicht es, wenn Kontingenzen bestehen. Woher sie kommen ist Frage der historischen Theorien.
Willkuerfreiheit oder "encumbered self"?
Das Sosein von Interessen ist nicht anders hinterfragbar als durch Rekurs auf ein allgemeines Prinzip, welches nicht von vornherein Asymmetrien von verschiedenen Identitaeten festschreibt. Wer, wie Rawls, von einem Zustand allgemeiner Gleichheit und Freiheit ausgeht, endet mit dem Problem, wie die idealisierten Groessen der Praxis anzupassen sind.
Dabei ist dieser Zustand nicht das Ideal eines willkuerlich frei entscheidenden Individuums, sondern Modell einer ethischen Hypothese. Sie geht von der Selbstverstaendlichkeit aus, dass Interessenkonflikte ueberall dort entstehen, wo (Grund-)Gueter knapp sind. Die Unhintergehbarkeit von aktualen Interessen, Beduerfnissen oder Praeferenzen zersplittert fuer Rawls letztendlich Moral in die Moral von Individuen, Klassen, Gruppen, Nationen oder anderen partikularen Entitaeten, ohne danach zu fragen,
- ob es Prinzipien von Konfliktloesungen (auf welcher Ebene auch immer) gibt, die einen sehr weiten Rahmen abstecken (Rawls: der Gesellschaftsvertrag),
- und damit, ob es einen allgemeinen Standpunkt gibt, von dem aus es sich "vorzuarbeiten" lohnt, weil er relativ gut verankert ist (Rawls: Fairness),
Dieser moralisch allgemeine Standpunkt muss jedoch nicht notwendigerweise Rawlsscher Art sein und muss auch nicht das Rawlssche Fairnessprinzip zur Basis haben. Ebensowenig ist der metaphysische Angelpunkt des Vernuenftigen (reasonable) ein attraktiver Kandidat. Jedoch die Suche danach von vornherein abzubrechen mit dem Hinweis, wir haetten eigentlich keine Freiheit, unsere Identitaet zu waehlen (nur weil sie historisch und durch die Gemeinschaft gegeben ist), spart eben von vorneherein die Frage aus, wie diese Knappheitskonflikte allgemein zu loesen sind.
Fussnoten:
154 R. Dworkin (1975), S. 18.href="#t154">Zurueck zum Text
155 Zu tun oder zu unterlassen heisst hier: eine Entscheidung treffen, um mein Interesse wahrzunehmen.href="#t155">Zurueck zum Text
156 Vgl. zu den Beispielen: R. Dworkin (1975), S. 18 ff.Zurueck zum Text
157 Man vergleiche: aehnliche Verwirrspiele ergaben sich auch beim Problem interpersoneller Nutzenvergleiche.Zurueck zum Text
158 Zum Vergleich: "zugestimmt haette" entspricht dem Vertrag im Urzustand unter Fairness
Superblatt von Spieler 2 entspricht den Vorteilen des Ich(aktual)Zurueck zum Text
159 Ich werde dies synonym mit folgenden Formulierungen verwenden:
Grund fuer Vertragsschluss
Grund in den Urzustand einzutreten
Interesse an bestimmten Prinzipien.Zurueck zum Text
160 Dies erscheint mir auch spieltheoretisch die einzig plausible Aufloesung des "Verfassungsspiels" zu sein.Zurueck zum Text
161 Sollte dies nicht der Fall sein, also haetten bestimmte Faehigkeiten und Talente nichts mit den oekonomischen Ausstattungen zu tun, dann wuerde Rawls' "Lotterie der Natur" in noch staerkerem Masse gelten: es gaebe dann ueberhaupt keine Kriterien, wer mehr oder weniger an diesen Ausstattungen besitzen soll, diese waeren dann durch den Wuerfel ermittelt.Zurueck zum Text
162 Dies ist auch der Grund, warum Rawls die Wohlfahrtsfunktionen des Utilitarismus ablehnt. Sie machen Lebenserwartungen (Guetererwartungen) von Wahrscheinlichkeiten abhaengig.Zurueck zum Text
163 Zu dieser Rechtfertigung siehe TJ 103. Immer wieder geht es um die Frage, wie bestimmte Verteilungen gegenueber dem einzelnen gerechtfertigt werden.href="#t163">Zurueck zum Text
164 Vgl. Sandel (1982), S. 55 ff.href="#t164">Zurueck zum Text
165 Sandel (1982), S. 7.href="#t165">Zurueck zum Text
166 Vgl. auch die Diskussion oben im Zusammenhang mit dem utilitaristischen Einwand, Entscheidungen ohne subjektive Wahrscheinlichkeiten sind keine Entscheidungen.Zurueck zum Text
167 Vgl. dazu die Kritik Hegels oben.href="#t167">Zurueck zum Text
168 Vgl auch Walzer (1992).href="#t168">Zurueck zum Text
169 Hochmann (1994). Man beachte hier, dass es eben dies war, was Rawls dem Utilitarismus vorgeworfen hatte!Zurueck zum Text
170 Vgl. PL, Erste Vorlesung und die Frage der Toleranz.href="#t170">Zurueck zum Text
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Magisterarbeit: Kapitel 13: Zusammenfassung zu Maximin und Differenzprinzip
Eingestellt von Wolfgang Melchior am 07. 02. 2002 (5703 mal gelesen)
Thema Arbeiten in der Philosophie
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Wolfgang Melchior schreibt:
13. Zusammenfassung zu Maximin und Differenzprinzip
Die tragende Idee des Differenzprinzips ist die Vorstellung, kontingente Anfangsverteilungen durch ein kooperatives System aufzufangen. Diese Kontingenz bezieht sich auf die Verteilung natuerlicher Begabungen und Faehigkeiten, dergegenueber sich alle weiteren Verteilungen sozialer und oekonomischer Gueter kumulativ verhalten. Das kooperative System gegenseitiger Vorteile soll diese kumulativen Effekte in einem als urspruenglich sozial verstandenen Sinne auffangen.
Das Differenzprinzip ist zum einen zu restriktiv, zum anderen zu vage und laesst daher viele Fragen offen:
Restriktiv ist es deswegen, weil es in zeitlosen Horizonten Schwankungen und voruebergehende Stoerungen der Kooperation nicht duldet, obwohl dadurch das Schema als ganzes auf lange Sicht gestaerkt werden koennte. Zu vage deswegen, weil nicht klar ist, innerhalb welcher Grenzen es Geltung besitzen soll und weil es grosse Einkommensunterschiede zulaesst, die sicher nicht als sozial stabilisierend angesehen werden koennen. Als gaenzlich unhaltbar erwies sich Rawls? These, dass der Utilitarismus kein Prinzip ist, welches die Parteien waehlen koennten: durch die Hineinnahme des Verkettungsprinzips kann den Parteien ein Durchschnittsnutzenutilitarismus nicht mehr gaenzlich unwaehlbar erscheinen. Ebenso gibt das GWP (Gleichwahrscheinlichkeitspostulat=Annahme im Zustand des Unwissens an einer beliebigen sozialen Position zu sein) eine Interpretation eines Urzustandes, die nicht einfach von der Hand zu weisen ist.
Die Wahl der Maximin-Regel soll die Betrachtung der Grundstruktur aus der Perspektive der am wenigsten Beguenstigten rechtfertigen. Doch neben den Unklarheiten, innerhalb welcher Bandbreiten Verluste fuer diese Gruppe gegenueber grossen Gewinnen Bessergestellter tolerierbar sind, bestehen auch Begruendungsdefizite hinsichtlich der Risikoscheu der Parteien. Rawls unterschaetzt ganz offensichtlich den Plausibilitaetsverlust des Urzustandes durch das Verbot von Wahrscheinlichkeitserwaegungen. Dies kann nicht allein durch den Verweis auf die Abstraktheit desselben aufgefangen werden. Auch ist es nicht zulaessig, immer dann an ein intuitives Verstaendnis zu appellieren, wenn Rawls selbst abstrakte Moeglichkeiten vor Augen gefuehrt werden, sonst aber auf der abstrakten Unverbindlichkeit des Urzustandes beharrt wird.
Der Einwand, dass die Parteien mit Maximin ueberhaupt keine Wahl treffen koennen, weil sie damit keine Praeferenzen zum Ausdruck bringen koennten, geht jedoch zu weit, da die Perspektive, unter der Rawls den Urzustand betrachtet nicht die der Wahl irgendwelcher Prinzipien, sondern seiner Prinzipien ist. Das ist sicherlich zirkulaer, jedoch soll es darauf hinweisen, dass seine Prinzipien bereits Annahmen enthalten, die im Fairnessprinzip verankert sind: gegenseitige Versicherung gegen Kontingenzen und die Verpflichtung auf gegenseitge Kooperation. Kontingenz und Wahrscheinlichkeit - und das scheint die wesentliche, wenn auch nicht sehr plausible, Motivation fuer eine Wahl von Maximin aus Rawls? Sicht zu sein - sind zwei verschiedene Kategorien. Maximin wirft dann ein Licht darauf, fuer wie kontingent Rawls bestimmte Verteilungen haelt. Rawls scheint wirklich pareto-optimale Extremfaelle einer maximal ungleich verteilten Einkommensstruktur im Sinn zu haben..
Auch die Anwendung des Differenzprinzips fuehrt zu Unklarheiten. So ist nicht glaubhaft, dass das Differenzprinzip Pareto-Optimalitaet inkludiert, zumindest in seiner Maximininterpretation (was uebrigens auch nicht anders zu erwarten war). Die Leximininterpretation fuehrt zwar zu keinen Widerspruechen innerhalb des Rawlsschen Systems, jedoch wird ihre praktische Geltung ausgeschlossen.
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Magisterarbeit: Kapitel 10.1.8: Zusammenfassung Erstes Prinzip und Vorrangregel
Eingestellt von Wolfgang Melchior am 07. 02. 2002 (1303 mal gelesen)
Thema Arbeiten in der Philosophie
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Wolfgang Melchior schreibt:
10.1.8. Zusammenfassung zum Ersten Prinzip und der Vorrangregel
Es ist nicht zu uebersehen, dass Rawls mit der Sicherung von Grundrechten vor allem dann in Schwierigkeiten geraet, wenn er sie als formale Bedingungen auffasst. Die Geschlossenheit in ihrer rigiden Form, wie sie Rawls vorstellt, ist genauso wenig haltbar wie der absolute Vorrang. Rawls muesste hier dynamische Entwicklungen unter Beruecksichtigung konkreter Interessenwahrnehmung unter die Lupe nehmen. Das Grundmuster der Kritik folgt im Grunde dem Hegelschen und laeuft letztlich auf folgende Formel hinaus: Grundfreiheiten als abstrakte und formale Handlungsfreiheiten bestimmen nicht hinreichend genau Handlungsspielraeume, weil Freiheiten nur dann Sinn machen, wenn sie im Lichte von konkreten Interessen gesehen werden. Hegel versucht darauf hinzuweisen, dass das formale Recht nur die eine Seite des Rechts sei, die einer Bestimmung beduerfe. Grundsaetzlich ist dieses Problem jedoch nicht loesbar, da es nur zwei wesentliche Merkmale idealtypischer Weise zum Ausdruck bringt, die Rechten und Freiheiten selbst schon inhaerent sind: ihr formales Bestehen als Garant und ihre Anwendung zu bestimmten Zwecken. Hier prallen die zwei in der Einleitung gegenuebergestellten egalitaeren und liberalistischen Ansaetze aufeinander: Freiheiten als universaler Geltungsanspruch oder Freiheit, welche nur im Lichte konkreter Bedingungen Sinn macht. Das Dilemma ist, dass die Kritik am Rawlsschen Freiheitsbegriff sich gegen die Verfasstheit des Urzustands selbst wendet, in dem die autonomen Parteien nur eine abstrakte Wahlfreiheit besitzen. Der universale Geltungsanspruch von Freiheiten schlaegt sich damit notwendigerweise im Ersten Prinzip nieder: wer nicht weiss, welches konkrete Interesse und welche konkreten Lebensplaene er besitzt, der entscheidet sich eben fuer ein System universeller Ansprueche.
Diese Aporie zwischen Hegelscher Kritik und Rawlsschem System liegt aber dort, wo die Kritik behauptet, Freiheiten als ausschliesslich formale Rechte (und damit als Ausfluss von Willkuerfreiheiten) koennen keinen Sinn machen. Rawls setzt dagegen, dass Freiheiten ohne ihre formale Garantie nicht bestehen koennen. Damit mag es sein, dass der Rawlssche Begriff von Freiheit leer bleibt, jedoch ist er nicht leerer als - wenn mir die hinkende Analogie gestattet sei - Hypothesen und Gesetze der Naturwissenschaften: diese machen auch nur im Lichte bestimmter als empirisch bezeichneter Daten Sinn und trotzdem projezieren sie diese auf einen Bereich unendlicher Gegenstaende. Ihre Variablen laufen ueber einen unendlichen Gegenstandsbereich (den es genausowenig "gibt" wie den Urzustand und ein System maximaler Freiheiten,) und jede Anwendung des Gesetzes verlangt eine Interpretation im Lichte des konkret vorliegenden Datenmaterials. Die Hypothese hat ihren "Konflikt" damit schon vorprogrammiert, genauso wie das Erste Prinzip ihre Probleme in Form von Interessenkonflikten schon vorgezeichnet hat.
Die Emphase, mit der Rawls die Wichtigkeit von Grundrechten einfordert, laesst darauf schliessen, dass Freiheiten die primaeren Garanten dessen sind, was Rawls als das wichtigste Primaergut betrachtet: Selbstrespekt. Bowie schreibt dazu: "Without liberty, one could not have a sense of one?s own value or the confidence in one?s ability to fulfill one?s intentions. Self respect may be at the top of the ladder of primary goods but liberty is clearly a necessary rung in achieving self respect"123
Dieses Argument muss komplettiert werden durch die Stabilitaetsthese: diese besagt, dass eine Gesellschaft nur dann stabil ist, wenn jeder einen Grund darin sieht, ihr System zu foerdern und zu unterstuetzen. Rawls sieht diesen Hauptgrund im Selbsrespekt, welcher ein System von maximalen Freiheiten zu garantieren in der Lage ist: "Self-respect is reciprocally self-supporting" (TJ 179).
Das Vorrangprinzip ist aus einer vertragstheoretischen Perspektive also verstaendlich, obwohl die Lexikalitaet, so wie sie Rawls vorschlägt, nicht haltbar ist. Aus der Sicht der Parteien des Urzustands gehört die Garantie von Grundfreiheiten zum Teil der Minimumtheorie.
Fussnoten:
123 Bowie (1980); S. 125.Zurueck zum Text
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Magisterarbeit: Kapitel 7.2: Der Status des Urzustandes und die Kantische Interpretation
Eingestellt von Wolfgang Melchior am 07. 02. 2002 (1389 mal gelesen)
Thema Arbeiten in der Philosophie
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Wolfgang Melchior schreibt:
7.2. Der Status des Urzustandes und die Kantische Interpretation
Welchen kognitiven Status besitzt der Urzustand? Zunaechst wird er von Rawls als ein heuristisches Instrument (heuristic device) vorgestellt und besitzt drei Merkmale:
(1) Einmal entspricht er keiner jemals wirklich existierenden Gesellschaft und wird dies und soll dies auch nicht. Der Urzustand darf nicht als wirklicher Willensakt von etwa in einer Volksversammlung zusammenkommenden Personen aufgefasst werden, sondern als ein Gedankenexperiment, zu dem nach Rawls? Ansicht jeder jetzt lebender Mensch in der Lage ist, welcher einen Gerechtigkeitssinn im obengenannten Sinn besitzt. Rawls ist ueberzeugt davon, dass alle Menschen den gleichen epistemischen Zugang zum Urzustand haben, gleich welches Konzept des Guten sie verfolgen (also gleich welche und wieviel Grundgueter sie erlangen wollen, wieviel sie tatsaechlich besitzen und welche Lebensplaene sie besitzen): "We can, as it were, enter this position at any time simply by reasoning for principles of justice in accordance with the enumerated restrictions of information" (PL 27). Der Urzustand ist also fuer Rawls ein moralischer Standort, von dem wir alle gleich weit entfernt sind. Es wird von daher letztlich zu fragen sein, ob
- ein epistemischer (mentaler) Zustand ausreicht, einen moralischen Standpunkt zu rechtfertigen,
- also moralisches Denken/Moraltheorie mehr verlangt (deskriptiv) und mehr verlangen soll (praeskriptiv) als die Anwendung streng symmetrischer Prinzipien.
(2) Unparteilichkeit und Universalismus: Zum anderen ist der Urzustand eine "ethische Hypothese", ein Gedankenexperiment unter der Annahme, dass all das gerecht ist, was unter fairen Bedingungen beschlossen worden ist. Es ist fuer Rawls schlechterdings unmoeglich zu allgemein gueltigen, d.h., fuer eine Gesellschaft als ganze gueltigen Prinzipien zu gelangen, wenn wir von den Kontingenzen unseres Jetzt-Zustands ausgehen. Dessen Asymmetrien wuerden es bestimmten Personen erlauben, bestimmte Vorteile einer Verhandlungsposition auszuspielen, wie wir dies in alltaeglichen Situationen erleben. Es ist eine grundsaetzliche Frage, ob es entweder eine universelle Ethik gibt oder geben soll oder Ethik von asymmetrischen Bedingungen abhaengt, wie sie oben als (Un)gleichheit2 (Interessen, Ziele, Talente) und (Un)gleichheit3 (oekonomische Umstaende) vorgestellt wurden (und es von daher soviel Ethiken gibt wie asymmetrische Bedingungen als relevant betrachtet werden).
Selbst wenn Rawls zugeben wuerde (was er in spaeteren Aufsaetzen in der Begegnung kommunitaristischer Einwaende tatsaechlich tut), dass unsere ethischen Urteile von bestimmten, besonderen historischen, persoenlichen und oekonomischen Faktoren abhaengen (deskriptiv), bleibt fuer ihn noch die Frage, ob unsere ethischen Theorien auch diese Faktoren theoretisch enthalten sollen. Der Urzustand waere dann hypothetisch in einem metaethischen Sinne: er formuliert die Wahl von Prinzipien der Gerechtigkeit aus einer Perspektive der Unparteilichkeit.
(3) Ausdruck der menschlichen Vernunft- Kantische Interpretation: Wie schon bei der Diskussion des Fairnessprinzips zu sehen war, greift Rawls explizit auf Kantisches Gedankengut zurueck. So besitzt der Urzustand auch eine Kantische Interpretation. "The original position may be viewed, then, as a procedural interpretation of Kant?s conception of autonomy and the categorial imperative" (TJ 256). "For by a categorial imperative Kant understands a principle of conduct that applies to a person in virtue of his nature as a free and equal rational being. The validity of the principles does not suppose that one has a particular desire or aim" (TJ 253). Die Wahl der Parteien im Urzustand soll das prozedural aufloesen, was Kant als Ausdruck unserer Natur als freie und rationale Wesen auffasste. "Kant, I believe, held, that a person is acting autonomously when the principles of his action are chosen by him as the most adequate expression of his nature as free and rational being. ...Our nature as such beings is displayed when we act from the principles we would choose when this nature is reflected in the conditions determing this choice" (TJ 252 u. 256). Die Kantische Autonomie loest Rawls auf in einem Verfahren, welches die Parteien nur als intelligible Ichs (noumenal selves) handeln laesst. Die Prinzipien, die dann gewaehlt werden, sind der ungetruebte Ausdruck unseres Wesens. Dieses Wesen besteht, wie wir oben sehen konnten, in einem abstrakten Vetorecht, welches die Beruecksichtigung der Einzelinteressen der Parteien garantieren soll. Ich moechte hier nicht den Kantischen Begriff der Autonomie, der sicher eine eigene Arbeit verdient hat, ausbreiten, jedoch muss beachtet werden, dass Rawls seinen Urzustand nur fuer Kantisch interpretierbar haelt, nicht als Kantische Theorie. Darauf deuten nicht nur seine laxe Bemerkung "I believe", sondern auch folgende Umstaende hin:
- Rawls begreift seine Prinzipien nicht als Sittengesetz zur Rechtfertigung positiver Rechte, sondern als Regeln fuer soziale Institutionen der Grundstruktur. Kant wollte so etwas wie einen Rechtsstaat rechtfertigen, Rawls dagegen will ein Verteilungsproblem loesen.
- die Parteien sind mit wesentlich mehr "Willensbestimmungen" ausgestattet als bei Kant: sie besitzen ein allgemeines Wissen von oekonomischen, sozialen und psychischen Gesetzen und machen ihre Wahl davon abhaengig.
- das Verfahren entspricht dem, was oben als reine Verfahrensgerechtigkeit vorgestellt wurde: die Parteien besitzen nur einen formalen Sinn von Gerechtigkeit und die Prinzipien sind nur dann gueltig, wenn das Verfahren (die Herleitung) wirklich durchgefuehrt wurde. Es ist also keine "leere Abstraktion" von Maximen, wie Kant dies machte, sondern ein an die Entscheidungs- und Spieltheorie angelehntes Verfahren.
- Rawls? Ansatz ist im Sinne der obengenannten Unterscheidung eine rechteorientierte Theorie. Im Vordergrund steht die Garantie von Rechten, nicht die Herleitung eines Pflichtprinzips. Die Kategorialitaet der im Urzustand zu waehlenden Prinzipien ist nicht die eines Imperativs, sondern die der Garantie von Anspruechen.
- das Rawlssche intelligible Ich (noumenal self) gibt sich aufgrund seiner praktischen Vernunft nicht selbst die Gesetze wie beim Kantischen Autonomiebegriff, sondern waehlt die Prinzipien nach Massgabe dessen, was seine Interessen und damit sein Glueck maximiert. Der Kantische Urzustand sollte der Herleitung eines unbedingten Gesetzes dienen, zu welchem Glueck als ein bedingtes Kriterium nicht herangezogen werden durfte.
Damit liegt der Rawlssche Urzustand zwischen dem von Hobbes und dem von Kant: "Bei Hobbes schliesst man den Vertrag, weil jeder besser wegkommt, bei Kant dagegen, weil er der praktischen Vernunft, der wechselseitigen Anerkennung der Menschen als Personen, als Rechtssubjekten entspricht. Die Ordnung der Willkuerfreiheiten (keineswegs die Willkuerfreiheiten selbst!) erhaelt die Qualitaet der Freiheiten im Sinne von der Selbstbestimmung, von Autonomie der praktischen Vernunft"69 Rawls? Interessenbegriff ist zwar abstrakt wie beim Kantischen autonomen Subjekt. Das Subjekt ist jedoch auch geleitet von eigennutzorientierten Motiven der Maximierung von Grundguetern. Das Kantische Moment laesst die Parteien auf eine Einheit zusammenschrumpfen, das Hobbessche Moment laesst andere ueber die Kantische Autonomie hinausgehende (und im Kantischen System verbotene) Motive von Guetermaximierungen zu.
Fussnoten:
69 Hoeffe, zit. n. Engin-Deniz (1991), S. 65.Zurueck zum Text
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Magisterarbeit: Kapitel 6: Die Vierstufenfolge
Eingestellt von Wolfgang Melchior am 07. 02. 2002 (1221 mal gelesen)
Thema Arbeiten in der Philosophie
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Wolfgang Melchior schreibt:
6. Die Vierstufenfolge
Gerechtigkeit als Fairness geht davon aus, dass moralische Prinzipien fuer eine Gesellschaft nur dann valide sein koennen, wenn sie in Situationen vereinbart wurden, in denen gewisse Symmetriebedingungen erfuellt sind. Da diese Symmetriebedingungen jedoch fuer wirklich existierende Gesellschaften nie bestehen, konstruiert Rawls eine Vierstufenfolge, an dessen Anfang das Fairnessprinzip vollkommen gilt: alle Personen verpflichten sich, sich an einmal getroffene Vereinbarungen zu halten, komme was wolle. Die darin gewaehlten Prinzipien sind gerecht, weil sie einer fairen Situation entspringen. Diesen Zustand nennt Rawls Urzustand. Anschliessend, in der zweiten Stufe, begeben sich die Gesellschaftsmitglieder in eine verfassunggebende Versammlung, in der das politische und rechtliche System festgelegt wird. Die Verfassung hat die Aufgabe, die Rechte aller Gesellschaftsmitglieder als gleiche und freie Buerger sicherzustellen, d.h. das Erste Prinzip zu implementieren. In der dritten Phase werden die Hintergrundinstitutionen der Gerechtigkeit (background institutions of justice) bestimmt, die auf bestimmte allgemeine soziale und wirtschaftliche Probleme der Gesellschaft Bezug nehmen. Sie sind weitgehend mit dem Modell eines demokratischen modernen Sozialstaates deckungsgleich und haben die Aufgabe, das Zweite Prinzip umzusetzen. In der vierten Phase werden alle bis dahin vereinbarten Prinzipien und Regeln auf Einzelfaelle durch richterliche oder administrative Akte angewandt.
(Einen Ueberblick ueber die vier Stufen gibt die Tabelle im Anhang.)
Im Verlaufe dieser Vierstufenfolge erhalten die Parteien immer mehr Kenntnis von ihrem persoenlichen, sozialen und oekonomischen Umfeld. Der Schleier des Nichtwissens (siehe ausfuehrlich im naechsten Kapitel) wird nach und nach "gelueftet".
Das Modell ist demnach deszendent, insofern als es sich von allgemeinsten Prinzipien zu immer spezifischeren Regeln vorarbeitet und die Prinzipien einer vorigen Stufe auch gueltig sind fuer die naechste. Was heisst das? Zu Beginn stellt Rawls seine Konzeption als strict compliance theory (auch: ideal theory) vor, d.h. er nimmt an, dass jede kontraktualistische Loesung der ersten Stufe (Urzustand) nicht nur optimal, sondern auch stabil, ja mehr noch, selbststabilisierend ist. Der gesamte dritte Teil der Theorie der Gerechtigkeit versucht, diese Behauptung zu rechtfertigen. Natuerlich negiert Rawls nicht die Tatsache, dass kein noch so gueltig abgeleitetes Prinzip vollkommen befolgt und umgesetzt wird (werden kann) und dass die alltaeglichen draengenden Probleme aus der teilweisen Befolgung (partial compliance) irgendwelcher Normen resultieren63, jedoch: "The reason for beginning with ideal theory is that it provides, I believe, the only basis for a systematic grasp of these more pressing problems" (TJ 9). Rawls ist ueberzeugt, dass wir der Praxis nur dann systematisch beikommen koennen, wenn wir einen idealen theoretischen Standpunkt besitzen und angeben, von dem aus wir diese Praxis beurteilen.
Jede weitere der vier Stufen entspricht damit dem Zustand einer Gesellschaft vom Standpunkt der Gerechtigkeit und unterscheidet sich durch drei Parameter von ihrer vorigen:
- allgemein: realitaetsnaeher, mehr der empirisch beobachtbaren Praxis entsprechend,
- die einzelnen Personen betreffend: die Personen besitzen mehr empirisches Wissen ueber ihre Stellung in der jeweiligen Gesellschaft,
- die Gerechtigkeit als vollkommene Verfahrensgerechtigkeit betreffend: unvollkommener.
Fussnoten:
63 Das heisst, ein Problem entsteht dann, 1. wenn die strikte Befolgung von aus gerechten Prinzipien abgeleiteten Kollateralprinzipien selbst zu Ungerechtigkeiten fuehrt und 2. die teilweise Befolgung oder Nichtbefolgung gerechter Grundsaetze zu moralischen Asymmetrien fuehrt (Rawls nennt hier als Beispiel Steuerhinterziehung). Ich betone jedoch, dass diese Probleme solche der vierten Stufe (full knowledge stage) sind. Zurueck zum Text
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Magisterarbeit: Kapitel 5: Das Fairnessprinzip und Gerechtigkeit als Fairness
Eingestellt von Wolfgang Melchior am 07. 02. 2002 (9008 mal gelesen)
Thema Arbeiten in der Philosophie
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Wolfgang Melchior schreibt:
5. Das Fairnessprinzip und Gerechtigkeit als Fairness
Wenden wir uns nun den Prinzipien zu, die fuer Individuen als einzelne gelten. An erster Stelle steht fuer Rawls das Fairnessprinzip. Das Fairnessprinzip steht im Zentrum der Rawlsschen Vertragstheorie, da es der moralische Grundsatz ist, der dem Urzustand zugrunde liegt. D.h., bevor Rawls mit der Ableitung irgendwelcher Prinzipien beginnt, setzt er die Gueltigkeit des Fairnessprinzips voraus.
"The main idea is that when a number of persons engage in a mutually advantageous cooperative venture according to rules, and thus restrict their liberty in ways necessary to yield all advantages for all, those who have submitted to these restrictions have a right to similiar aquiescence on the part of those who have benefited from their submission" (TJ 112)href="#37">37
Die Grundidee taucht hier in enger Verbindung mit dem vertragstheoretischen Ansatz und der Frage auf, warum und wann sich jemand ueberhaupt an bestimmte Regeln halten soll, die Ergebnisse einer Vereinbarung sind. Jeder hat ein Recht (Anspruch) auf gleiche Unterwerfung unter die Regeln durch die anderen,
- wenn er sich selbst den Regeln unterwirft,
- und die Regeln eine Institution 38 definieren, die zum gegenseitigen Vorteil dient.
Rechte und Pflichten werden als Folge einer Gegenseitigkeit gesehen. Hier liegt das in der Einleitung angesprochene klassische vertragstheoretische Freiheit-Gleichheit-Problem (Kooperationsproblem) vor, welches auch Hobbes schon beschaeftigt hatte: wenn ich mich eines Teils meiner Freiheiten begebe, muss sichergestellt sein, dass auch alle anderen dies tun.
Erste Annaeherung:
Der Fairnessgrundsatz gilt nur dann, wenn die Institution zum gegenseitigen Vorteil dient. Es scheint so, als ob hier, methodisch gesehen, utilitaristische Gesichtspunkte der Nutzenabwaegung als Kriterien herangezogen wuerden. So erhebt sich die Frage, wer beurteilen soll, wann die Institution zum gegenseitigen Vorteil dient: die anderen oder ich selbst? Ein bekanntes Beispiel ist das Problem der Besteuerung zur Bereitstellung oeffentlicher Gueter. Das von Libertinisten oft vorgebrachte Argument 39 , dass aus gegenseitig vorteilhaften Unternehmungen, keine Pflicht erwaechst, waehlt zwei Linien:
(1) Einmal unterstellt das Fairnessprinzip einfach, dass die Vorteile der oeffentlichen Gueter fuer mich zumindest gleich (wenn nicht sogar groesser) den von mir geforderten Kosten (Steuern) ist. .40
(2) Zum anderen soll daraus auch noch ein Recht, Kosten einzufordern, entstehen, welches die anderen gegenueber mir berechtigterweise geltend machen koennen
So verlangt der oeffentliche Strassenbau.41 von mir Steuerzahlungen, und dies wird mit dem Hinweis begruendet, dass auch ich schliesslich oeffentliche Strassen benuetzen wuerde, also Vorteile wahrnehmen wuerde. Jedoch wird nicht weitergefragt, ob die Steuerzahlungen auch den Vorteil reflektieren, den ich oeffentlichen Strassen zuschreibe, ja noch nicht einmal nach den Gruenden, wann und wie die Vorteile meine Zahlungen kompensieren (Kompensationsproblem). Als ueberzeugter Anhaenger der Umweltschutzbewegung koennte ich etwa einwenden, dass beim oeffentlichen Strassenbau meine Steuerzahlungen den Vorteil einer motorisierten Fortbewegung gegenueber der damit verbundenen Naturzerstoerung (Verlust an Lebensqualitaet) nicht aufwiegen wuerden. Mit anderen Worten: andere ziehen moeglicherweise groessere Vorteile aus dem oeffentlichen Strassenbau, werden jedoch gleich besteuert, jedenfalls werden sie nicht proportional zu dem Nutzen besteuert, den sie
aus dem oeffentlichen Strassenbau ziehen.
Gleichzeitig (ad (2)) leiten aber diese anderen das Recht her, von mir Steuerzahlungen einzufordern mit dem Hinweis, mir auch Vorteile zu bieten, die ich auch gar nicht bestreiten kann. Um meinen obengemachten Einwand (meine Kosten vs. mein Vorteil) aber zu umgehen wird jetzt einmal behauptet, das oeffentliche Interesse (Vorteile fuer die Allgemeinheit) wuerde das persoenliche Interesse (meinen eigenen Vorteil) ueberwiegen: dabei wird der Satz "nur durch meine Steuerzahlung kann der oeffentliche Strassenbau bewerkstelligt werden" verallgemeinert zum Satz "nur durch jedermanns Steuerzahlungen kann der oeffentliche Strassenbau bewerkstelligt werden". 42 . Zum anderen wird im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes argumentiert, den das Fairnessprinzip wesentlich enthaelt: es sei nicht billig, mich selbst von Zahlungen auszunehmen, wenn sich andere diesen freiwillig unterwerfen wuerden.
Genau dies aber intendiert (aus Nozicks Sicht) Rawls: durch die freiwillige Selbstbeschraenkung (Unterwerfung unter Regeln, freiwillige Steuerzahlung) soll ein Recht erwachsen, von anderen Gleiches einzufordern und damit deren Pflicht. Das Fairnessprinzip enthuellt dadurch seinen egalitaeren Charakter, der libertinistischen Ansaetzen fehlt. Letztere stellen das Entscheidungsrecht ueber das Allgemeininteresse, selbst wenn dies dem einzelnen Vorteile bietet. So meint Nozick: "One cannot, whatever one?s purposes, just act so as to give people benefits and then demand (or seize) payment".href="#43">43 . Dabei tut Nozick so, als ob andere jemandem (mir) freiwillig eine Leistung erbringen oder ein Vorteil bieten, und dann einen Ausgleich, die Unterwerfung unter die Regel oder eine Beteiligung gefordert wird. Er treibt dies mit folgendem Beispiel auf die Spitze: "You may not decide to give me something, for example a book, and then grab money for it, even if I have nothing better to spend my money on".
Rawls? vertragstheoretischer Ansatz geht jedoch davon aus, dass ich mich zur Unterwerfung unter Regeln (also zur Zahlung) freiwillig bereit erklaere, weil ich mir einen Vorteil davon verspreche und ich mich bereits vorher einverstanden erklaert habe.
Waehrend der libertinististische Ansatz die Gefahr sieht, dass andere durch ihre blosse Selbstverpflichtung Rechte fuer sich selbst und Ansprueche an mich kreieren (ergo: meine Pflichten), geht der vertragstheoretische Ansatz von meiner Selbstverpflichtung aus, die anderen Vorteile bietet..href="#44">44 Beide Modelle haben offenbar zwei verschiedene Gefahren im Sinn: der Libertinist sieht die Entscheidungsfreiheit bedroht (Einsatz von Mitteln zur Verfolgung von Plaenen), wenn unter Hinweis auf ein Allgemeininteresse (gegenseitige Vorteile) den Individuen Kosten auferlegt werden, der Vertragstheoretiker hat den Free-rider im Sinn, der das mutually cooperative venture untergraebt und damit die Vorteile vernichtet. Diese Vorteile muessen in Rawls? Theorie nur gegenseitig sein, Rawls spricht von keiner Menge von Vorteilen; diese Reziprozitaet versteht Rawls also in einem abstrakteren Sinn und nicht im Sinne einer Nutzengleichheit.
Zweite Annaeherung
Fuer Rawls entscheidend ist also das Reziprozitaetsmerkmal, welches Rechte und Pflichten vermittelt.
Dieses Reziprozitaetsmerkmal der Fairness soll im Folgenden noch beleuchtet werden. Dazu soll zunaechst einmal die theoretische Einordnung und Stellung des Fairnessprinzips innerhalb des Rawlsschen Systems von Pflichten und Rechten gegeben werden.
Jede individuelle Handlung (practice) ist fuer Rawls definiert ueber Regeln, die bestimmen, was erlaubt (permitted) und was erfordert (required) ist. Alle Erfordernisse (requirements).href="#45">45 koennen entweder als Verpflichtungen (obligations) oder natuerliche Pflichten (natural duties) auftreten. Das Fairnessprinzip scheidet nun Verpflichtungen und natuerliche Pflichten auf eine bestimmte Art und Weise. Rawls meint dazu:
"I shall use this principle to account for all requirements that are obligations as distinct from natural duties. This principle holds that a person is required to do his part as defined by the rules when two conditions are met: first, the institution is just (or fair), that is, it satisfies the two principles of justice; and second, one has voluntarily accepted benefits of the arrangement or taken advantage of the opportunities it offers to further one?s interests." (TJ 111/112)
Die erste Bedingung fragt zunaechst, ob eine in Frage kommende Institution gerecht ist, und folgert daraus im positiven Fall, dass Verpflichtungen bestehen, sich den damit verbundenen Regeln zu unterwerfen, im negativen Fall, dass es grundsaetzlich erlaubt ist, sich den Regeln zu widersetzen.
Die zweite Bedingung legt fest, dass die Verpflichtungen nur dann bestehen koennen, wenn die betreffende Person in einem freiwilligen Willensakt zuvor die Regeln der jeweiligen Institution anerkannt hat. Die Verpflichtungen "arise as a result of our voluntary acts; these may be the giving of express or tacit undertakings, such as promises and agreements, but they need not be, as in the case of accepting benefits" (TJ 113). Die Anerkennung braucht also nicht in jedem Einzelfall gegeben werden und geschieht auch durch die blosse Teilnahme an Unternehmungen zum gegenseitigen Vorteil.
Letztendlich kann damit das Fairnessprinzip folgendermassen interpretiert werden:
Es bestaetigt sich die oben geaeusserte Vermutung, dass das Fairnessprinzip nichts anderes als ein Reziprozitaetsprinzip fuer Kooperationen darstellt.
1.) Entscheidend ist hier die Gegenseitigkeit der Vorteile, die die Gegenseitigkeit von Rechten und Verpflichtungen begruendet. Dies begreift Rawls aber nicht in einem nutzentheoretischen Sinne, worauf der libertinistische Einwand abzielt, sondern in einem vertragstheoretischen Sinne. Das Fairnessprinzip ist auf die Vertragstheorie massgeschneidert: Vertraege wie das Fairnessprinzip setzen Freiwilligkeit und eine Willenserklaerung voraus. Diese Willenserklaerung muss nicht ausdruecklich, sondern kann auch stillschweigend
- durch die Inanspruchnahme von Vorteilen oder
- allgemein durch konkludente Handlungen geschehen, wenn also nach der ueblichen Praxis zu erwarten ist, dass ein Einverstaendnis gegeben wurde.. 46
Gehe ich ein Geschaeft, in dem Waren zum Verkauf angeboten werden (Praxis), und waehle eine Ware aus (Freiwilligkeit), so erklaere ich mich stillschweigend dazu bereit, die Ware zu kaufen (Willenserklaerung zum Kaufvertrag und Zahlungsverpflichtung). Gleiches gilt, wenn ich die Ware, sofern sie essbar ist, sofort verzehre. Ich kann mich nicht damit herausreden, ich haette nicht ausdruecklich meinen Willen erklaert, die ausgewaehlte Ware auch zu kaufen. Der Vorteil der ausgewaehlten Ware verpflichtet mich also zu einer Zahlung. Etwas anderes ist die Hoehe dieses Vorteils, also der Nutzen, den ich damit verbinde. Dieser mag verhandelbar sein, aber auch hier gilt, habe ich mich auf einen bestimmten Preis geeinigt, bin ich zur Zahlung verpflichtet.
Die nutzentheoretisch-libertinistische Betrachtung verwechselt also offenbar das Bestehen der Verpflichtung mit der Frage der Hoehe der Vorteile, die dieser Verpflichtung entsprechen. Es mag sein, dass ich - um auf das obengenannte Beispiel zurueckzukommen- mehr an Steuern fuer den Strassenbau zahle als mir Vorteile dadurch entstehen, jedoch ist unbestreitbar, dass, wenn ich oeffentliche Strassen benutze, ich mein grundsaetzliches Einverstaendnis abgebe, auch dafuer Steuern zu entrichten. Das eine ist eine Frage der
Praktikabilitaet, die zum Grundsatzproblem stilisiert wird, das andere trifft den Grundsatzcharakter des Fairnessprinzips. Gegenseitige Vorteile sind fuer Rawls damit nicht ein Ex-ante-, sondern ein Ex-post-Kriterium dieser Freiwilligkeit.
2.) Fairnessprinzip als Kooperationsgrundlage: Jeder Vertrag besitzt als wesentliches Element die allseitige Erfuellung. Vertraege machen nur dann Sinn, wenn sich alle Parteien an sie halten. Dies ist intuitiv das, was das Fairnessprinzip sagen will. Wenn es um einen Gesellschaftsvertrag geht und Gesellschaft als kooperatives Unternehmen interpretiert wird, wie Rawls dies tut, dann ist das Pacta sunt servanda-Problem das Grundproblem der Kooperation. Dies besteht darin, dass Parteien durch Bestehen auf ihrem Eigeninteresse zu einem fuer alle schlechteren Ergebnis gelangen, als wenn sie weniger eigennutzorientierte, kooperative Strategien verfolgen wuerden. Diskutiert wird dies seit etwa 1950 anhand des Gefangendilemmas. In seiner allgemeinen Form formuliert das Dilemma eine Situation mit zwei Spielern, welchen, aehnlich dem Urzustand, kein Informationsaustausch gestattet ist und zwei Wahlmoeglichkeiten offenstehen: Kooperation und Defektion, wobei Kooperation als Vertragserfuellung und Defektion als Vertragsbruch interpretiert werden kann. Das Spiel ist nun so beschaffen, dass jeder - unter der Annahme interpersoneller Nutzenvergleiche und individueller Nutzenmaximierung - nur dann das hoechste Ergebnis erzielt, wenn er alleine defektiert, waehrend der andere kooperiert. Dadurch wird aber Defektion zu einer dominanten Strategie, so dass das Gleichgewichtsergebnis in beidseitiger Defektion besteht (Vertrag ist "nichtig"). Dieses Gleichgewichtsergebnis ist aber suboptimal gegenueber beidseitiger Kooperation, also beidseitiger Vertragserfuellung, an der beide profitieren..href="#47">47
An diesem Punkt scheint es so, als ob das Fairnessprinzip etwas propagiert, was aeusserst problematisch erscheinen muss. Der Free-rider (als Dauerdefektor) 48 kann nicht einfach ausgeschlossen werden, indem man ihn auf das Fairnessprinzip verpflichtet. Ebenso kann der Kooperator (, der sich stets an den Vertrag haelt,) schlecht vertroestet werden, indem man ihn auf die Geltung eines Fairnessprinzips hinweist, welches ihm nicht rational erscheinen kann. Anders ausgedrueckt: das Fairnessprinzip scheint extern zum Spiel zu stehen. Man kann jedoch das Spiel selbst aendern. Der Kooperator soll jetzt ein Recht besitzen, Kooperation von seinem Mitspieler zu verlangen (ein Forderungsrecht). Ich moechte dies auf zwei Weisen interpretieren:
- einmal im Sinne eines Rechtssicherheits- oder Kooperationspostulats, welches das Dilemma zum Verschwinden bringen soll: jetzt wird behauptet, so wie das Rawls? Fairnessprinzip auch nahelegt, dass der Kooperator ein Risiko auf sich nimmt, wenn er einseitig kooperiert. Das Risiko besteht darin, dass er wegen der Defektion als dominanter Strategie als "Gelackmeierter" (sucker) dastehen, also die niedrigste Auszahlung (Payoff) erhalten wird. Nun wird in das Spiel die Bedingung eingebaut, dass das Risiko auf Seiten des Kooperators "bezahlt" wird in Form eines Forderungsrechts gegenueber dem Mitspieler. Auf solche gegenseitigen Forderungen einigen sich zuvor die Spieler. Defektion wird entweder bestraft oder Kooperation belohnt, unabhaengig davon, was der Gegner waehlt. Damit entstehen zwar externe Kosten jedoch wird ein Vertragstheoretiker argumentieren koennen, diese seien auf lange Sicht denjenigen vorzuziehen, die aus einem Zustand dauernder Rechtsunsicherheit und bestaendiger Defektion entstuenden. In dieser Sichtweise ist das Fairnessprinzip eine Art Belohnungsoder Bestrafungsprinzip..49name="t49"> Wir bewegen uns damit aber immer noch innerhalb der vom Gefangenendilemmaspiel eng gesteckten Grenzen.
- oder es wird schlicht behauptet, es sei sinnlos, die "Quadratur des Kooperationsproblems" zu versuchen, und die Kooperation unter moeglichst schwachen Annahmen aus eigennutzorientierten Strategien mit Hilfe von gemeinsamen Strategien (joint strategies) oder Optimierungsverfahren herzuleiten. Dann wird das Fairnessprinzip als Prinzip eingefuehrt, welches das Scheitern oder die Sinnlosigkeit dieser Versuche konstatiert. Jetzt hat man das Spiel endgueltig verlassen und fragt sich, wie Rahmenvertraege aussehen sollen, die die Einhaltung der inneren Vertraege (Kooperationen) garantieren.
Rawls scheint zur letzten Interpretation zu neigen. Rawls hat in seinen spaeteren Schriften das Fairnessprinzip als nicht ableitbar, sondern als eine freistehende Sichtweise (free-standing view) bezeichnet. In PL diskutiert er das als These von der Unabhaengigkeit des Vernuenftigen (reasonable) vom Verstandesmaessigen (rational). Das reasonable bezeichnet das Kooperationsprinzip, welches die Verpflichtung zu einem Schema des gegenseitigen Vorteils verlangt. Das rational bezeichnet die individuelle Rationalitaet gemaess dem Nutzenmaximierungsprinzip. "In justice as fairness the reasonable and the rational are taken as two distinct and independent basic ideas. They are distinct in that there is no thought of deriving one from the other; in particular there is no thought of deriving the reasonable from the rational" (PL 51; meine Hervorhebungen). Andere hingegen und speziell Gauthier in Morals by Agreement denken "that if the reasonable can be derived from the rational, that is, if some definite principles of justice can be derived from the preferences, or decisions, or agreements of merely rational agents in suitably specified circumstances, then the reasonable is at last put on a firm basis" (PL 51/2; mit Fussnotenverweis auf Gauthier)
3.) Als letztes kann man darauf verweisen, dass sich aus dem Reziprozitaetsmerkmal des Fairnessprinzips (fuer iterierte Gefangenendilemmaspiele = Superspiele) sich eine Gewinnstrategie.50 fuer ein evolutives Gefangenendilemmaspiel begruenden laesst. Dazu moechte ich den Ansatz von Robert Axelrod in seinem Buch "Die Evolution der Kooperation" heranziehen. 1980 liess Axelrod in Computersimulationen mehrere Strategien in iterierten Gefangenendilemmaspielen gegeneinander antreten. TIT FOR TAT erreichte die hoechste Gesamtpunktzahl gegen ungefaehr 60 andere Gegnerstrategien. TIT FOR TAT defektiert nur dann, wenn der Gegner im vorigen Zug defektiert hat, defektiert aber nie als erstes. Ebenso zeigte sich in Populationsspielen (in denen nach jeder Runde von Superspielen die Strategie je nach Punktzahl einen Gewichtungsfaktor erhaelt), dass TIT FOR TAT eine kollektiv stabile Strategie auch in feindlichen Environments darstellt: sie konnte selbst in einer Populationsumgebung, die nur aus Dauerdefektoren (IMMER D) bestand, schon mit geringen Populationsgroessen eindringen und die urspruenglich feindliche Strategie verdraengen.51
Dies koennte man in folgendem Zusammenhang mit dem Fairnessprinzip bringen:
Wie oben zu sehen war, betrachtet Rawls Verpflichtungen als Folge des Fairnessprinzips derart, dass jemand sich nur dann zur Kooperation (=Vertragserfuellung) verpflichtet zu fuehlen braucht,
- wenn die Vertragserfuellung der anderen auch vorliegt.
(- wenn der Vertrag unter fairen Bedingungen geschlossen wurde.)
Das Fairnessprinzip verlangt nun als moralisches Gebot, dass dies auch so sein soll. TIT FOR TAT setzt dies durch ein ebenso simples wie einleuchtendes Verstaerkungsmuster durch: Kooperation wird mit Kooperation belohnt, Defektion wird mit Defektion bestraft. Aus der Tatsache, dass TIT FOR TAT damit das Turnier gewonnen hat, kann nun in einem ersten Schritt geschlossen werden, dass sich Kooperation auf Dauer gesehen lohnt und Defektion sich nicht auszahlt.52name="t52"> Genau dies ist es jedoch, was das Fairnessprinzip als moralisches Gebot formuliert, wenn es sagt, dass jeder verpflichtet sein sollte, sich an Vertraege zu halten, die zum beiderseitigen Vorteil gereichen. Die Vorteile interpretiert das Fairnessprinzip nun nicht mehr als Vorteile und Nachteile eines Superspiels, oder gar eines einzelnen Spiels (dafuer existiert keine beste Strategie), sondern als Vorteile in einem vielfaeltigen Environment (viele Gegner = viele Interessen) und auf lange Sicht.
Ebenso folgt TIT FOR TAT dem Bona-fide-Prinzip, einer Spezialisierung des Fairnessprinzips: im ersten Spiel kooperiert es stets, handelt also zunaechst in gutem Glauben an die Kooperationswilligkeit des anderen.
Der Einwand, TIT FOR TAT sei eine Gewinnstrategie fuer ein evolutives Schema (Superspiel und Populationsspiel), waehrend das Fairnessprinzip einem einmaligen Spiel zugrundeliege (Prinzipienwahl im Urzustand), missversteht die logische Beziehung zwischen beiden sowie den Status des Fairnessprinzips: ich sage nicht, dass das Fairnessprinzip eine Strategie darstellt und ebensowenig, dass aus TIT FOR TAT das Fairnessprinzip folgt oder es ist, sondern umgekehrt, dass TIT FOR TAT das implementiert hat, was als moralisches Gebot das Fairnessprinzip stipuliert. Jemand, der mit der Frage einer dauerhaft vorteilhaften Strategie konfrontiert ist, dem raet das Fairnessprinzip zu einer reziproken Strategie mit einem Vertrauensvorschuss (Bona-fide-Grundsatz). Letzterer raet dem Suchenden zu einer freundlichen Strategie ("defektiere nie als erster!"), die erste Bedingung raet dazu, nicht unter allen Bedingungen zu kooperieren, sondern nur dann, wenn sie fuer alle von Vorteil sind ("kooperiere, solange die anderen kooperieren!"). Das Fairnessprinzip gibt also Normen an die Hand, mit denen sich eine streng reziproke Strategie basteln laesst.
Moralische Symmetrie
Abgesehen von diesen Reziprozitaetsmerkmalen, ist das wesentliche Merkmal des Fairnessprinzips das, was den Urzustand selbst kennzeichnet: dort wird das als fair bezeichnet, was Menschen beschliessen, die gleich und frei sind. Dies geht also ueber die Gegenseitigkeit von Vorteilen hinaus, da hier von Vorteilen ueberhaupt nicht die Rede ist. Mehr noch: hier wird von Vorteilen der einzelnen abgesehen. Gerecht ist dann all das, was unter fuer alle Personen gleichen Bedingungen vereinbart wird. Das principle of fairness soll sicherstellen, dass moralische Prinzipien fuer alle Personen gleichermassen gelten. Oder mit anderen Worten: es geht um die Formulierung einer moralischen Symmetrie aller Personen.
Kurzzusammenfassung
Das Fairnessprinzip besitzt grundsaetzlich zwei Merkmale:
1.) Fairnesspflicht: Rechte und Pflichten entstehen aus der Gegenseitigkeit von Vorteilen, wobei Vorteile nicht als Nutzenabwaegungen einzelner Unternehmungen verstanden werden duerfen, sondern einen allgemeinen Rahmen bezeichnen.
2.) Fairness selbst: Fair1 ist all das, was unter fairen2 Bedingungen beschlossen worden ist, wobei die fairen2 Bedingungen einen Zustand bezeichnen, in dem alle Beteiligten gleich und frei sind. Die beiden Begriffe von fair interpretiert Rawls einmal als fair1 = gerecht und dann als fair2 = fuer alle gleich. Demnach ist fuer Rawls all das gerecht, was unter fuer alle gleichen Bedingungen beschlossen wurde.
Exkurs zum Fairnessprinzip: die Institution des Versprechens
Fuer Rawls ist der Treuegrundsatz (Bona-fide-Grundsatz) ein Spezialfall des Fairnessprinzips, der besagt:
Es besteht eine Verpflichtung, einmal gegebene Versprechen zu halten, sofern diese gewissen Rahmenbedingungen unterliegen (gerecht sind).
Die zwei Teile des Fairnessprinzips gehen nun den Treuegrundsatz nach seinen Bedingungen ab:
1.) Es gibt eine Institution, die nach bestimmten Regeln ablaeuft. Dies ist die Form des Versprechens:
Konstitutive Regel V: A verspricht B x
2.) Gerechtigkeitsbedingung G: Die Umstaende, unter denen das Versprechen gegeben wurde, sind gerecht. Das Versprechen ist freiwillig gegeben worden.
Diese beiden Bedingungen machen das Versprechen zu einem Bona-fide-Versprechen:
- alle Seiten wissen, was es heisst, ein Versprechen zu geben (Regelkenntnis),
- sie interpretieren die Invokation der Regel nach einem "moralischen principle of charity". Sie handeln nicht bewusst defektorisch.
- sie kennen auch die Umstaende, in denen Versprechen unwirksam werden, z.B. Erpressung, Zwang usw..
Dann entsteht nach Rawls unter der Annahme des Treuegrundsatzes eine Verpflichtung, das Versprechen zu halten, also:
3.) Schluss "Versprechen halten" als Verpflichtung VV: "A ist verpflichtet, gegenueber B zu xen".
Jeder, der die Institution unter gerechten (=fairen) Bedingungen akzeptiert, muss sich an das Versprechen halten. Es ist wichtig, den Treuegrundsatz nicht mit der Schlussfolgerung, also der Verpflichtung VV, und diese nicht mit der Institution V selbst zu verwechseln: V ist eine Regel und niemand ist eo ipso verpflichtet zu dieser Regel, also niemand ist verpflichtet, ueberhaupt Versprechen zu geben. Genauso wenig ist jemand unbedingt zu VV verpflichtet, sondern nur dann wenn V besteht, G erfuellt ist und der Treuegrundsatz akzeptiert wird. VV ist eine Folge des Treuegrundsatzes, und dieser ein Spezialfall des Fairnessprinzips.
Auf den ersten Blick mag das unproblematisch wirken, jedoch liegt die Schwierigkeit dieses Schemas in der Gerechtigkeitsbedingung G. Warum soll es erforderlich sein, sich an Versprechen zu halten, die unter gerechten Bedingungen entstehen? Rawls fuehrt dazu natuerliche Pflichten (natural duties) ein. Diese sind Pflichten, die unbedingt gelten, und
- erfordern damit weder eine freiwillige Willensaeusserung
- noch eine Uebereinkunft, gelten also schon bereits vor jedem Versprechen.
Als oberste natuerliche Pflicht betrachtet Rawls die Pflicht zur Gerechtigkeit. Sie verlangt, sich an gerechte Vertraege zu halten und sie zu unterstuetzen..
Es scheint also, dass Rawls hier mit der natuerlichen Pflicht ein typisches question begging begeht. Um die Frage zu klaeren, wie die Anrufung einer Institution (Versprechen geben) zur Verpflichtung wird, wird in der Bedingung G bereits schon eine Pflicht unterstellt, die unbedingt gelten soll. Rawls erkennt selbst diese Bedrohung seines Schemas: dass naemlich das Fairnessprinzip (und damit der Treuegrundsatz) ueberfluessig wird, da sich Verpflichtungen auch aus der natuerlichen Gerechtigkeitspflicht herleiten liessen (TJ 343). Rawls meint:
"Now this contention is, indeed, sound enough. We can, if we want, explain obligations by invoking the [natural] duty of justice. It suffices to construe the requisite voluntary acts as acts by which our natural duties are freely extended. Although previously the scheme in question did not apply to us, and we had no duties in regard to it other than that of not seeking to undermine it, we have now by our deeds enlarged the bonds of natural duties. But it seems appropriate to distinguish between those institutions or aspects thereof which must inevitably apply to us since we are born to them and they regulate the full scope of our activity, and those that apply to us because we have freely done certain things as a rational way of advancing our ends" (TJ 343/344)
Diese Unterscheidung greift also auf die Differenz zwischen unbedingten und freiwilligen Verpflichtungen, oder Kantisch ausgedrueckt, zwischen kategorischen und hypothetischen Imperativen zurueck. Erstere werden vorausgesetzt und gelten allgemein und notwendig, letztere sind Teile von Plaenen und Handlungen, die bestimmte Ziele verfolgen und gelten unter bestimmten Bedingungen.53
Die Gueltigkeit kategorischer Imperative "does not presuppose that one has a particular desire or aim" (TJ 253), waehrend die von hypothetischen "depends upon one?s having an aim which one need not have as a condition of being a rational human individual" (TJ 253). Angewendet auf die Institution des Versprechens heisst das:
1.) Der Treuegrundsatz als hypothetischer Imperativ: Versprechen machen wir mit einem bestimmten Zweck. Daraus folgt, dass die Verpflichtung nur dann entsteht, wenn wir damit einen bestimmten Zweck verfolgen, d.h., einen bestimmten Vorteil darin sehen.
2.) Die natuerliche Gerechtigkeitspflicht als kategorischer Imperativ: Sie soll bestehen, ohne dass ein Zweck verfolgt wird.
Damit sagt Rawls jedoch nicht mehr, als was wir vorher bereits gewusst haben: niemand ist kategorisch verpflichtet, ein Versprechen zu geben, aber wenn er es gibt, ist er hypothetisch verpflichtet, sich daran zu halten. Zudem enthaelt dies viele metaphysische Implikate, wie "unbedingt", "Zwecke ueberhaupt", "immer" usw., die aeusserst unklar sind. Was heisst es, wenn Pflichten gelten, ohne dass wir damit Zwecke verfolgen? Wie wollen wir etwas ueberhaupt und nicht konkret? Rawls bestreitet diese metaphysischen Implikate (er nennt sie selbst so!) seiner Theorie zwar nachhaltig (TJ Kap. 32), ich jedoch sehe keinen anderen Ausweg und keine andere Interpretation als diese.href="#54">54
Jedoch ist kein philosophischer Vorschlag allein deswegen zu verwefen, weil er unklare Begriffe enthaelt, widerspruechlich oder gar metaphysisch ist. Das hiesse, einen einzelnen Ansatz unter einem absoluten Standpunkt zu betrachten:
- wir muessten alle Ansaetze (utilitaristische, marxistische, intuitionistische usw.) durchgehen und sie dann entweder verwerfen oder akzeptieren,
- und dann auch noch sagen, nach welchen Kriterien wir die einen verwerfen und die anderen gutheissen,
- und zudem rechtfertigen, warum wir entweder gleiche oder verschiedene Kriterien anlegen.
In diesem Sinne koennte sich herausstellen, dass jede Moraltheorie zwangslaeufig metaphysisch sein muss oder die Massstaebe, die Rawls? Ansatz als metaphysisch brandmarken, aus seiner Sicht nicht zum Instrumentarium von Moralphilosophie gehoeren.
So scheint es mir angebrachter, komparativ vorzugehen und die Nachteile und Vorteile von Rawls? Theorie mit den Nachteilen und Vorteilen anderer Theorien zu vergleichen und dann erst zu entscheiden, ob die Nachteile der Rawlsschen Theorie schwerer wiegen.
Die Vorteile der Kantischen Theorie … la Rawls sind aus meiner Sicht dort zu sehen, wo zugegeben wird, dass das Humesche Gesetz nicht zu umgehen sei. Danach ist es nicht moeglich, ein Sollen aus einem Sein abzuleiten. Das Bestehen von Fakten kann keinen Grund darstellen, dass etwas moralisch bindend ist.href="#55">55 Rawls betont immer wieder, dass seine Theorie normativ in eben diesem solche Fehlschluesse vermeidenden Sinne sei: sie versuche nicht moralische Prinzipien aus irgendwelchen Faktizitaeten abzuleiten; der Urzustand sei nicht moralisch indifferent, sondern enthalte mit dem Fairnessprinzip ein moralisches Praerogativ.href="#56">56 Fuer Rawls ist es unplausibel, die Pflicht, Versprechen zu halten, aus dem blossen Bestehen von Institutionen und der Anrufung derselben abzuleiten.
Ein Gegenansatz zu dieser antinaturalistischen Auffassung versucht, den Unterschied zwischen Sollen und Sein zu kassieren.57 Er stammt von Searle. Sein Schema des Versprechens sieht folgendermassen aus:
"(1) Jones hat geaeussert, "Hiermit verspreche ich, dir, Smith, fuenf Dollar zu zahlen."
(2) Jones hat versprochen, Smith fuenf Dollar zu zahlen.
(3) Jones hat sich der Verpflichtung unterworfen (sie uebernommen), Smith fuenf Dollar zu bezahlen.
(4) Jones ist verpflichtet, Smith fuenf Dollar zu zahlen.
(5) Jones muss [ought to] Smith fuenf Dollar zahlen."href="#58">58
Fuer Searle sind die Schritte (1) bis (5) auseinander ableitbar, wobei mit ableitbar im aussagenlogischen Sinne ableitbar gemeint ist. Jedoch muessen dazu eine Reihe von Zusatzpraemissen eingefuehrt werden, die Regeln illokutionaerer Akte und speziell solche fuer den illokutionaeren Akt des Versprechens enthalten. Ich kann aus verstaendlichen Gruenden hier nicht die ganze Theorie illokutionaerer Akte ausbreiten.59name="t59"> Ich werde mich deswegen auf die wesentliche Form beschraenken, in der Searle seine Ableitung verstanden wissen will. Fuer Searle sind zwei Dinge entscheidend: zum einen ist es wichtig, dass der Akt des Versprechens gewisse empirische Bedingungen enthaelt (Bedingungen B), die zu seinem Gelingen notwendig sind, zum anderen der Umstand, dass die Saetze (2) bis (4) sog. institutionelle Fakten und keine moralischen Prinzipien vertreten.
Die Bedingungen B eines gelungenen Akts des Versprechens enthalten Regeln ueber Intentionen des Sprechers sowie solche ueber bestimmte semantische Eigenschaften der verwendeten Ausdruecke: so legen sie fest, dass Jones beim Versprechen eine Proposition ueber einen zukuenftigen Akt von ihm ausdrueckt, naemlich, dass er fuenf Dollar zahlen wird. Ebenso verlangen sie, dass Jones auch dies beabsichtigt und er auch beabsichtigt, sich darauf zu verpflichten. Von daher muessen noch zwei Zusatzpraemissen hinzukommen, die den Uebergang von (1) zu (2) plausibel machen:
(1a) Unter bestimmten Bedingungen B gibt jeder, der die Woerter (den Satz), "Hiermit verspreche ich, dir, Smith, fuenf Dollar zu zahlen" aeussert, Smith das Versprechen, ihm fuenf Dollar zu zahlen.
(1b) Die Bedingungen B sind erfuellt.
Zusatzpraemisse (1b) sagt, dass die Bedingungen eines gelungenen Akts des Versprechens erfuellt sind und (1a) besagt, dass unter diesen Bedingungen stets ein Versprechen vorliegt. Der Schluss von (1), (1a) und (1b) auf (2) ist damit eine logische Wahrheit. Ebenso folgt (2) aus (3) mit Hilfe einer Zusatzannahme, die aus den Bedingungen B gewonnen werden:
(2a) Jedes Versprechen bedeutet einen Akt, der die Uebernahme der Verpflichtung darstellt, das Versprochene zu tun.
Aehnliche Zusatzpraemissen werden zur Ableitung von (3) auf (4) und von (4) auf (5) eingefuehrt, die in diesem Zusammenhang nicht relevant sind..
Wichtig ist es, zu beachten, dass diese Zusatzpraemissen nicht einfache Fakten erfassen, sondern das, was Searle institutionelle Fakten (das zweite obengenannte Merkmal) nennt. Sie enthalten all das, was wir alle akzeptieren, wenn wir den Sprechakt des Versprechens vollziehen. Searle versucht also mit dem Begriff der institutionellen Tatsachen all das zu buendeln, was noetig ist, um seinen Schluss von einem Sprechakt zu einer Verpflichtung zu leisten. Searle meint:
"Worauf es allein ankommt ist, dass, wenn man unter Voraussetzung der fuer eine bestimmte Institution geltenden Regeln eine Handlung ausfuehrt [den Akt des Versprechens], man sich damit notwendig auf bestimmte Verhaltensweisen festlegt, unabhaengig davon, ob man die betreffende Institution anerkennt oder verurteilt. Bei sprachbezogenen Institutionen wie dem Versprechen (oder dem Behaupten) ist man durch die aufrichtige Aeusserung der Woerter zu bestimmten durch die Bedeutung der Woerter festgelegten Verhaltensweisen verpflichtet"href="#60">60
Hier scheint Searle zu behaupten, die Verpflichtung entstehe allein durch die aufrichtige Aeusserung (und nicht durch ein moralisches Prinzip) und sie bestehe aus Akten, die allein durch die Bedeutung der
verwendeten Woerter festgelegt sind. Dabei mogelt er sich ueber den Uebergang von (1) auf (2) hinweg, der durch (1a) geleistet werden soll. Denn dieser ist es, der den Uebergang von natuerlichen Akten (Aeusserung eines Satzes) zu institutionellen Fakten vollzieht, so Searle. Searle glaubt nun, dass
- mit dem Versprechensakt eine Institution anerkannt wird, und dies den Uebergang rechtfertige;
- diese Anerkennung jedoch verschieden ist von der Anerkennung eines moralischen Prinzips, also etwa dem Rawlsschen Treuegrundsatz.
So wuerden (1a) und damit (2) nichts anderes behaupten als die Tatsache, dass mit einem gelungenen Sprechakt des Versprechens auch eine Institution anerkannt wird. Dies sei keine praeskriptive Aussage, sondern lediglich eine neutrale Beschreibung dessen, was jeder weiss, der die Institution des Versprechens kennt: "Ausserdem ist jeder, der das Wort in ernst gemeinter, aufrichtiger Weise verwendet, an dessen Verpflichtungen einschliessende logische Folgen gebunden"href="#61">61
Searle nimmt damit an, dass fuer das Bestehen einer Verpflichtung die Anerkennung von logischen Folgen ausreiche und diese Folgen sich aus dem schieren Bestehen institutioneller Fakten ergeben wuerden. Der antinaturalistische Standpunkt von Rawls behauptet hingegen,
1.) die Anerkennung von Institutionen im Sinne der Anerkennung der logischen Folgen reiche allein noch nicht hin zur Begruendung einer Verpflichtung oder
2.) diese institutionellen Fakten enthielten bereits implizit den Treuegrundsatz.
Der entscheidende Einwand gegen Searles Sichtweise besteht dann darin, dass im Grunde genommen die Ableitung kein Sein aus einem Sollen wiedergibt, sondern nur bestimmte institutionelle Fakten beschreibt, die selbst schon Normen enthalten. Auch (5) ist als logische Folge von (4) dann nichts anderes als die Wiedergabe eines solchen Faktums, und Rawls koennte immer noch fragen, wo hier eine Verpflichtung besteht.
Das Problem liegt, wie Mackie62 bemerkt, in der Vermengung einer Innen- und einer Aussensicht von Institutionen. Die Aussensicht betrachtet die Institution als Abfolge von durch Regeln festgelegten Handlungen. Diese Regeln verlangen gewisse Handlungen und verbieten andere. Beim Schach sind gewisse Zuege verboten, andere erlaubt. Jede richtige Handlung ist ein durch Regeln gedeckter Zug. Die Abfolge der Saetze (1) bis (5) beschreibt nichts anderes als die Spielregeln eines Sprachspiels genannt "ein Versprechen machen", in der die Verpflichtung ein bestimmter Zug ist. Hingegen ist es etwas anderes zu fragen, ob diese Regeln auch verlangen, dass ich sie stets anwenden soll. In dieser Innensicht versetzen wir uns, so Mackie, in die Institution hinein und fragen, ob wir uns tatsaechlich daran halten sollen. Die simple Frage ist dann also die: selbst wenn wir alle logischen Folgen der Institution "ein Versprechen geben" kennen, welche Regel oder Metainstitution sagt uns, dass diese Folgen auch verbindlich sind?
Wir scheinen also um die Frage Deskriptivitaet (Aussensicht) oder Praeskriptivitaet (Innensicht) nicht herumzukommen. Waehrend der naturalistische Ansatz die Norm in dem institutionellen Fakten zu verstecken versucht, postuliert der antinaturalistische Ansatz diese kategorial.
Fussnoten:
37 Diese Fassung des Fairnessprinzips geht auf H. A. Hart zurueck.Zurueck zum Text
38 Das "venture according to rules" ist hier nichts anderes als eine Institution.Zurueck zum Text
39 Vgl. dazu etwa Nozick (1974), S. 94f.href="#t39">Zurueck zum Text
40 Nozick unterscheidet zwischen der Pflicht (obligation) und der Durchsetzung (enforcement). "An argument for an enforceable obligation has two stages: the first leads to the existence of the obligation, and the second, to its enforceability"; Nozick (1974), S. 93.Zurueck zum Text
41Ich moechte mich hier nicht auf dieses Beispiel kaprizieren und behaupten, es koenne nicht geloest werden, etwa durch ein Mautsystem. Es soll lediglich als Beispiel fuer oeffentliche Gueter dienen und kann jederzeit durch ein dem Leser wirtschaftlich mehr Sinn machendes ausgetauscht werden. Vgl. dazu auch das von Nozick vorgebrachte Beispiel eines oeffentlichen Rundfunksenders.href="#t41">Zurueck zum Text
42Es liessen sich auch Faelle finden, in denen diese Verallgemeinerung noch nicht einmal notwendig ist. Solche Faelle liegen vor, wenn ein bestimmter Betrag erforderlich ist, um das oeffentliche Gut bereitzustellen, und jeder einen bestimmten Anteil beizusteuern hat.href="#t42">Zurueck zum Text
43Nozick (1974), S. 95.href="#t43">Zurueck zum Text
44Diese Selbstverpflichtung waere dann das Pendant zu fundamentalen Rechten.Zurueck zum Text
45Ich verwende hier diese Uebersetzung in Abweichung von der deutschen Uebersetzung, die "requirements" als "Verpflichtungen" wiedergibt. Zum einen fuehrt dies zu Konfusionen mit dem Begriff "Pflicht" (zu dem auch im Englischen ein differenzierteres Vokabular existiert: duty, obligation), zum anderen betont meine Uebersetzung mehr den formalen Charakter in der Rawlsschen Konstruktion: Erfordernisse gehoeren zu den Spielregeln, an die alle Mitspieler gebunden sind, unabhaengig davon, welches Spiel sie spielen wollen.href="#t45">Zurueck zum Text
46Dies wird auch in der Rechtstheorie undpraxis so gesehen. Vgl. dazu BGB ?151.[Annahme ohne Erklaerung gegenueber dem Antragenden] und die ?? 653, 568, 689, 632, die stillschweigende Verlaengerung von Vertraegen regeln.href="#t46">Zurueck zum Text
47Die Interpretationen und Bewertungen fuer beidseitige Defektion koennen vielfaeltig sein und veraendern das Spiel nachhaltig: entweder man bewertet dieses Ergebnis mit einem Risikofaktor Null (keine Gewinne, keine Verluste) und sieht dies als einen Rueckfall in einen Ursprungszustand oder fuehrt einen Risikofaktor ein, der im Falle beidseitiger Defektion Verluste fuer beide bedeutet, wobei sich an der Form des Spiels natuerlich nichts aendern darf: Stehe K fuer Kooperieren und D fuer Defektieren, wobei die Indices den Spieler bezeichnen, dann gibt es vier Ergebnisse: (1)K1K2, (2)D1K2, (3)K1D2, (4)D1D2 . Die entsprechenden Auszahlungen sind dann:
(1): Beide erhalten eine Belohnung fuer gegenseitige Kooperation: R (fuer reciprocity)
(2) und (3): der Defektierende erhaelt die maximale Auszahlung T (fuer temptation), der Kooperierende die minimale Auszahlung S (fuer sucker)
(4): Beide erhalten eine Bestrafung fuer gegenseitige Defektion P (fuer Punishment) Die Rangfolge der Auszahlungen ist dann: S < P R T, wobei als Zusatzannahme die Bedingung eingefuehrt werden kann: 1/2 * S+T R, welche verhindern soll, dass sich abwechselndes Defektieren und Kooperieren mehr auszahlt als Kooperationswilligkeit.a href="#t47">Zurueck zum Text
48Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Free-rider nicht mit einem Dauerdefektor gleichgesetzt werden kann. Ein Free-rider verfolgt eine gemischte Strategie, da er nur dann defektiert, wenn aus seiner Sicht zu erwarten ist, dass die anderen kooperieren. Ohne Verwendung des Begriffes der gemischten Strategie laesst sich ein Free-rider auch durch eine zeitliche Asymmetrie interpretieren: ein Free-rider nuetzt einen Informationsvorsprung aus, er wartet ab, bis ein durch Kooperation entstandener Vorteil vorliegt und defektiert erst dann. Hingegen verfolgt ein Dauerdefektor eine reine Strategie: er defektiert in jeder Situation und bei jedem Gegner. Die Gleichsetzung beider Strategien in diesem Falle geht davon aus, dass es sich um eine Situation handelt, in die Kooperation aller anderen als sicher oder ziemlich wahrscheinlich angenommen wird. In diesem Grenzfall fallen Free-rider und Dauerdefektor vom Ergebnis her zusammen.Zurueck zum Text
49In der Spieltheorie wird dies durch kooperative ultimatum games bewerkstelligt, in denen die Spieler sich im voraus auf bestimmte Forderungen gegeneinander festlegen. Jeder Bruch der Verpflichtung hat eine Strafe zur Folge, die mindestens so gross sein muss, dass sie den Vertragsbruch unprofitabel macht. Man kann auch Defektion von vorneherein besteuern (Vgl. Clarke (1980)). Kooperativ heisst dabei, dass eine sog. pre-play negotiation moeglich ist. Die Spieler koennen vorher also Absprachen und Vereinbarungen treffen.Zurueck zum Text
50Axelrod unterscheidet drei Arten von Gewinn oder Erfolg:
1. Robustheit: Ueberlebensfaehigkeit in einem vielgestaltigen Environment
2. Stabiltaet: Behauptung gegen Invasion mutierender Strategien
3. Lebensfaehigkeit: Faehigkeit, selbst erfolgreich in andere Strategien einzudringen.Zurueck zum Text
51Die aus dem Turnier gefolgerten acht Theoreme sind zusammenfassend und mit Beweisen im Schlusskapitel des Buches abgedruckt.Zurueck zum Text
52Auch hier muss darauf hingewiesen werden, dass TIT FOR TAT keine beste Strategie ist, also eine Regel, die unabhaengig von anderen Strategien die Auszahlung maximiert. (Vgl. R. Axelrods Theorem 1, R. Axelrod (1991), S. 14).href="#t52">Zurueck zum Text
53Fuer Kant ergibt sich Sittlichkeit und damit Pflicht ueberhaupt aus dem kategorischen Imperativ, also nur einem einzigen Prinzip, waehrend in Rawls? System die kategorischen Imperative plural (in Form der natuerlichen Pflichten) vorkommen. Mir kommt es jedoch auf die Unterscheidung an, die Kant so fasst: "Alle Imperative nun gebieten entweder hypothetisch oder kategorisch. Jene stellen die praktische Notwendigkeit einer moeglichen Handlung als Mittel, zu etwas anderem als was man will (oder doch moeglich ist, dass man es wolle), zu gelangen vor. Der kategorische Imperativ wuerde der sein, welcher eine Handlung als fuer sich selbst, ohne Beziehung auf einen anderen Zweck, als objektiv-notwendig vorstellte" (Kant, Grundlegung, BA 40).Zurueck zum Text
54Vgl. dazu auch Barry (1985), Kap. 4 und Baynes (1992), S. 52ff.Zurueck zum Text
55Siehe Hume, Treatise of Human Nature, Book III, Part I, Sec.I, S. 469.Zurueck zum Text
56Zugegeben, auch Rawls neigt dazu den Urzustand als device of representation irgendwie objektiver erscheinen zu lassen, jedoch steht fest: das Fairnessprinzip ist ein Beschreibungsinstrument des Urzustandes und enthaelt bereits Normen.Zurueck zum Text
57Siehe dazu: Searle (1967), S. 101-114 , sowie ders., (1990[1969]), Kap. 8. Ebenso Hare (1967), S. 115-127.Zurueck zum Text
58Searle (1990[1968]), S. 264.href="#t58">Zurueck zum Text
59Nachzulesen in: ebd., Kap. 3 und S. 264 ff.Zurueck zum Text
60Ebd., S. 281.Zurueck zum Text
61Ebd., S. 283.Zurueck zum Text
62Vgl. dazu: Mackie (1977), Kap. 3.href="#t62">Zurueck zum Text
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