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Originallink: http://www.pinselpark.org/philosophie/e/erasmus/torheit/torheit_01.html


 

Erasmus von Rotterdam

Lob der Torheit (4)

Ihre Taten mögen die Götter lieber von Momus vernehmen, auf den sie einst öfter hörten. Jetzt haben sie ihn im Zorn zusammen mit Ate kopfüber auf die Erde gestürzt, weil er mit seinen weisen Sprüchen dem Glück der Götter im Wege war. Kein Mensch nimmt den Heimatlosen auf, und keiner denkt daran, ihm Zutritt zu den Fürstenhöfen zu gewähren, wo meine Kolakia (Schmeichelei), mit der der Momus ebensowohl zusammenpaßt wie das Lamm mit dem Wolf, den Vorzugsplatz innehat. Seitdem er weg ist, schäkern die Götter viel ausgelassener und vergnüglicher und haben leichteres Werk, wie Homer sagt, da kein Tadler da ist. Zu welchen Scherzen gibt nicht der feigenbaumhölzerne Priap Veranlassung? Welchen Unfug verursacht nicht Merkur mit seinen Diebereien und Spiegelfechtereien? Sogar Vulkan selbst macht beim Göttermahl den Hofnarr und erheitert die Zecherrunde bald mit seinem Gehumpel, bald mit dummem Gerede oder lächerlichen Aussprüchen. Dann ist da Silen, der verliebte Alte, der seinen bäurischen Kordax tanzt, zusammen mit Polyphems Kyklopentanz und dem barfüßigen Reigen der Nymphen. Die bocksfüßigen Satyrn führen ihre Atellane auf, und Pan bringt mit einem blöden Lied alle zum Lachen. Ihn wollen sie zudem lieber hören als die Musen selbst, besonders wenn der Nektar schon in ihm zu arbeiten beginnt. Soll ich wirklich noch erwähnen, was die weidlich bezechten Götter nach dem Mahle unternehmen? Das ist so albern, daß ich das Lachen manchmal kaum unterdrücken kann. Ein Hinweis auf Harpokrates, den Gott der Verschwiegenheit, mag genügen, damit nicht irgendein göttlicher Denunziant uns behorcht, während wir ausplaudern, was nicht einmal Momus ungestraft an die große Glocke gehängt hat.
Doch es ist Zeit, daß wir nach dem Vorbilde Homers wieder den Himmel verlassen, zur Erde hinabwandern und dort feststellen, wie alle Freude und alles Glück ausschließlich von mir herrühren. Seht nur, mit welcher Voraussicht die Natur, die Allmutter und Bildnerin des Menschengeschlechts, gesorgt hat, daß nirgendwo die Würze der Torheit fehlt! Nach der Lehre der Stoiker ist die Weisheit nichts anderes als die Führung durch die Vernunft, die Torheit dagegen gleich der Abhängigkeit vom Drang der Leidenschaften. Wieviel mehr Leidenschaften als Vernunft gab aber Jupiter den Menschen, damit das menschliche Leben nicht völlig traurig und finster würde? Es ist soviel wie eine halbe Unze gegen ein As. Außerdem hat er die Vernunft in einen Winkel des Kopfes verbannt und überließ den ganzen übrigen Körper der Verwirrung. Gleichsam zwei äußerst gewalttätige Tyrannen stellte er gegen einen: den Zorn, der die Feste des Zwerchfells beherrscht und so den Quell des Lebens selbst, das Herz; dazu die Begierde, die ganz unten bei der Scham die ausgedehnteste Herrschaft behauptet. Wieviel die Vernunft gegenüber diesen beiden Aufgeboten wert ist, beweist das gemeine menschliche Leben deutlich genug. Während sie sich beim Anpreisen des Ziemlichen und Ehrenhaften heiser schreit, legen jene ihrem König eine Schlinge und gehen mit allem Haß zu Werke, bis sie schließlich selbst müde wird, freiwillig weicht und sich gefangen gibt.
Der Mann, der für staatliche Aufgaben bestimmt ist, mußte natürlich mit einem Quentchen mehr an Vernunft besprengt werden, damit er sie nach Kräften bewähre. Wie bei allem anderen zog er mich auch hier zu Rate, und ich beriet ihn nach meiner Weise: Er solle sich ein Weib nehmen, jenes ebenso dumme und läppische wie ergötzliche und reizvolle Wesen. Mit seiner Torheit sollte es in häuslicher Gemeinschaft die finstere Würde des männlichen Geistes würzen und versüßen. Denn mit seinem Zweifel, ob die Frau zu den vernünftigen oder zu den stumpfsinnigen Lebewesen zu zählen sei, wollte Platon nur die auffallende Torheit dieses Geschlechtes kennzeichnen. Ein Blaustrumpf ist also in Wirklichkeit nur doppelt töricht, wie wenn jemand ein Stück Rindvieh wider den offenbaren Willen der Minerva, wie man sagt, salben ließe. Es verdoppelt nur den Fehler, wer wider die Natur die Schminke der Tugend auflegt und seine Anlagen verfälscht. Wie nach dem griechischen Sprichwort ein Affe immer ein Affe bleibt, und wenn er in Purpur gewandet wäre, so ist auch ein Weib immer Weib, das heißt töricht, welche Maske es auch immer aufsetzt. Ich will aber nicht annehmen, daß die Frauen so töricht sind, mir zu zürnen, weil ich ihnen, als Torheit doch selbst eine Frau, Torheit nachsage. Wenn sie die Dinge nämlich recht überlegen, müssen sie dies gerade der Torheit zugute halten, daß sie in vielen Dingen glücklicher sind als die Männer. Da ist zunächst einmal die Anmut der Erscheinung, die sie mit Recht allem ändern vorziehen und mit deren Macht sie die Tyrannen selbst tyrannisieren. Woher kommt denn anders die Unansehnlichkeit des Äußeren, die rauhe Haut, das Bartgestrüpp, doch offenbar etwas Greisenhaftes beim Manne, als von der unziemlichen Klugheit? Das glatte Kinn, die gleichbleibend hohe Stimmlage und die weiche Haut der Frauen deuten dagegen auf eine stete Jugend. Was wünschen sie auch anderes in diesem Leben, als ihren Männern soviel wie möglich zu gefallen? Darum geht es doch bei all der Körperpflege, bei all diesem Aufwand, diesen Bädern, diesem Schmuck, den Salben und Duftstoffen, bei all dieser Kunstentfaltung im Mienenspiel, im Augenzwinkern und im Schminken. Sind sie denn den Männern durch irgend etwas mehr empfohlen als durch die Torheit? Was lassen sie den Frauen nicht alles durchgehen? Könnte sie aber etwas anderes dazu bewegen als das Vergnügen? Das aber bereiten die Frauen durch nichts anderes als durch die Torheit. Wer überlegt, was ein Mann für läppisches Zeug mit einer Frau schwätzt, was für einen Unfug er treibt, sooft er sich mit einer Frau seine Freude machen will, wird das nicht abstreiten. Da seht ihr also, aus welchem Urquell der Reiz des Lebens vor allem stammt.
Viele, besonders die Greise, haben mehr Liebe zur Flasche als zu den Frauen und finden das höchste Vergnügen in Zechgelagen. Andere mögen untersuchen, ob es überhaupt ein feines Gastmahl gibt ohne Frauengesellschaft, mindestens steht aber fest, daß keines ohne die Würze der Torheit den geringsten Anspruch auf Behaglichkeit hat. Vermißt man irgendwo einen Menschen, der die Gesellschaft mit törichtem Wesen oder Possen zum Lachen reizt, holt man sich wohl gar einen Possenreißer gegen Geld oder sonst einen lächerlichen Schmarotzer, der mit witzigen Sarkasmen der Gesellschaft Stumpfsinn und Trübsal fernhält. Was nützt es, den Bauch mit so viel Zuckerwerk, Leckerei und Feinkost zu beladen, wenn nicht gleichzeitig Augen und Ohren, ja der ganze Sinn sich an Lachen, Scherzen und heiterem Witz weiden können. Köstlichkeiten solcher Art kann ich nur zustande bringen. Die vielerlei beliebten Ergötzungen bei Gelagen, zum Beispiel den König auswürfeln, Umtrunk, Rundgesang, Tanz und Pantomimen sind nicht von den sieben Weisen Griechenlands, sondern von uns zum Wohle der Menschheit erfunden worden. Es liegt im Wesen dieser Dinge, daß sie dem menschlichen Leben um so bekömmlicher sind, je mehr Torheit sie enthalten. Darum würde das Leben nicht einmal seinen Namen verdienen, wenn es trübselig wäre. Es müßte aber so sein, wenn der angeborene Überdruß nicht mit solchen Reizmitteln weggespült würde.




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