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Erasmus von Rotterdam

Lob der Torheit (19)

Um Fürstenglanz bemühen sich Päpste, Kardinale und Bischöfe auch schon längst mit Fleiß, ja sie haben es darin fast weiter gebracht als die Fürsten. Wenn einer daran denken wollte, woran der reine Glanz eines weißen Gewandes erinnert: an das völlig schuldlose Leben; was die doppelhörnige Mitra mit den gleichmäßigen Spitzen bedeutet: die gleichmäßig vollkommene Kenntnis des Alten und Neuen Testamentes; was die Handschuhe anzeigen: die von jeder Berührung weltlicher Dinge unbefleckte Verwaltung der Sakramente; was der Hirtenstab besagt: nämlich die überaus wachsame Obhut der anvertrauten Herde; was das Vortragekreuz versinnbildet: den Sieg nämlich über alle menschlichen Leidenschaften; wenn einer, sage ich, daran und an vieles andere denken wollte, würde er nicht ein trübseliges und ruheloses Leben führen? Sie tun aber wohl daran, wenn sie sich selbst weiden. Im übrigen geben sie die Obhut ihrer Schafe an Christus oder an stellvertretende Brüder weiter. Sie erinnern sich auch keineswegs der Bedeutung ihres Bischofstitels, der ja nichts anderes besagt als Arbeit, Sorge und Aufsicht. Im Einziehen ihrer Gelder erweisen sie sich allerdings als ganze Bischöfe und lassen nichts aus dem Auge.
So müßten die Kardinale sich auch vergegenwärtigen, daß sie Nachfolger der Apostel sind und daß das gleiche von ihnen verlangt wird, was jene geleistet haben, daß sie keine Herren, sondern Sachwalter der geistlichen Gaben sind, von denen sie recht bald peinlichste Rechenschaft ablegen müssen. Bei einer nachdenklichen Betrachtung ihrer Kleidung müßten sie sich etwa so sagen: Was soll dieser Glanz der Gewänder? Meint er nicht die höchste Reinheit der Lebensführung? Was soll die purpurne Innenseite? Zeigt sie nicht die brennende Liebe zu Gott? Was soll die Weite und Länge des Gewandes, das noch das ganze Maultier des Reverendissimus umhüllt und sogar ein Kamel bedecken könnte? Deutet es nicht auf die Liebe, die sich weit öffnet, um allen zu helfen, das heißt um zu lehren, zu ermahnen, zu trösten, zu tadeln, zuzureden,. Kriege zu schlichten, gottlosen Fürsten zu widerstehen und nicht nur das Geld, sondern auch das Blut gern für die Christenheit aufs Spiel zu setzen? Wozu brauchen sie überhaupt Geld als Stellvertreter der armen Apostel? Ich sage euch, wenn sie das so überlegten, würden sie sich um das Amt nicht bemühen, oder sie würden es bereitwillig aufgeben oder würden ein mühseliges und unruhevolles Leben führen, wie es die Apostel einst getan haben. Wenn nun erst die Päpste als Christi Stellvertreter seinem Leben nacheifern wollten, das heißt der Armut, Mühsal, Lehre, dem Kreuz und der Lebensverachtung, oder wenn sie den Namen Papst, das heißt Vater, oder den Beinamen eines Hochheiligen ernst nähmen, würden sie an äußerem Elend nicht ihresgleichen finden auf Erden. Wer wollte dann diese Stellung um alles Geld kaufen? Wer wollte sie noch mit Schwert, Gift und jeder Art Gewalt behaupten, wenn er sie gekauft hätte? Wieviel Annehmlichkeit schwindet dahin, wenn die Weisheit sich einmal eingenistet hat? Die Weisheit sage ich? Nur ein Körnchen von jenem Salz, das Christus erwähnt hat!
Alle die Schätze, die Ehrungen, Herrschgewalt, Siege, Dienstbarkeiten, Dispenserteilungen, Abgaben, Ablässe, Pferde, Maultiere, Würdenträger und Lustbarkeiten! Ihr seht, welchen Jahrmarkt, welche Ernte, ja welchen Ozean an Gütern ich in Kürze aufgezählt habe. An deren Stelle wird er Nachtwachen, Fasten, Tränen, Gebete, Predigten, Studien, Seufzer und tausend ähnliche jämmerliche Mühen einführen. Man darf dabei nicht übersehen, daß dann alle die Schreiberseelen, Kopisten, Notare, Advokaten, Promotoren, Sekretäre, Maultiertreiber, Reitknechte, Wechsler, Kuppler — beinahe hätte ich einen delikateren Ausdruck gebraucht, ich fürchte aber, daß er nicht gern gehört wird —, kurz das ganze unübersehbare Gewimmel, das den römischen Stuhl beschwert — Verzeihung, ich wollte sagen: beehrt — verhungern müßte. Das wäre doch eine abscheulich unmenschliche Tat, und völlig unerträglich wäre es, die Kirchenfürsten und Glanzlichter der Welt auf Wanderstab und Ranzen zu verweisen. Alle Mühe überlassen sie jetzt Petrus und Paulus, die ja reichlich mit Muße gesegnet sind. Wo Glanz und Lust winken, sind sie selbst zur Stelle.
So verdankt man es mir, daß kaum Menschen üppiger und sorgloser leben und daß sie Christus gerecht zu werden glauben, wenn sie mit mysteriösem und mehr theatermäßigem Aufzug, mit Heiligsprechungszeremonien, Ehrwürdigkeits- und Heiligkeitstiteln, mit Segnungen und Exkommunikationen den Bischof spielen. Wunder zu wirken ist ein anrüchiger und überholter Brauch, der durchaus nicht in diese Zeit paßt. Es ist aufreibend, das Volk zu belehren, die Auslegung der Heiligen Schrift verlangt zuviel Studium, Beten ist zeitraubend, Tränen sind jämmerlich und weibisch, Dürftigkeit ist peinlich, und Unterwerfung ist schimpflich und unziemlich für einen Mann, der kaum die höchsten Fürsten zum Kuß der heiligen Füße zuläßt. Sterben ist schließlich unerfreulich und der Tod am Kreuze ehrlos. Es bleiben ihnen also nur jene Waffen und Segnungen, die Paulus im Römerbrief erwähnt.
Statt dessen sind sie aber äußerst freigebig in Interdikten, Amtsenthebungen, Bannandrohung, scharfer Androhung, Verdammungen, öffentlichen Anprangerungen und jenem tödlichen Bannstrahl, durch den sie mit einem Wink Menschenseelen in die äußerste Finsternis schleudern. Die hochheiligen Väter in Christus und Stellvertreter Christi wenden ihn mit größter Schärfe vor allem gegen die teuflischen Schädlinge des Kirchenstaates an. Das Wort des Evangeliums „Wir haben alles verlassen und sind dir gefolgt" beziehen sie nicht auf Fluren, Städte, Steuereinkünfte, Hafenzölle und Gerichtsbarkeit des Kirchenstaates. Dafür brennen sie vom Eifer Christi, dafür kämpfen sie mit Feuer und Schwert und opfern dafür das Blut der Christenheit. Ja, indem sie so nach ihrer Weise wacker auf die Feinde losschlagen, glauben sie apostolisch die Kirche als Braut Christi zu schützen.
Als ob es verderblichere Kirchenfeinde gäbe als gottlose Päpste, die mit Unbekümmertheit Christus in Verruf bringen, ihn mit Abgabeverordnungen binden, sein Wesen mit gewaltsamen Deutungen verfälschen und ihn mit ruchlosem Lebenswandel umbringen. Da die Kirche Christi auf Blut gegründet, mit Blut gestärkt und durch Blut vermehrt worden ist, führen sie nun ihre Sache mit Schwert und Eisen, als ob Christus, der doch seine Herde in seiner Weise behütet, gestorben sei. Der Krieg ist eine Ungeheuerlichkeit, die zu wilden Tieren, aber nicht zu Menschen paßt, eine Wahnsinnsgeburt, die die Dichter sogar den Furien zuschreiben, eine Seuche, die allgemeine sittliche Verwilderung mit sich bringt, eine Ungerechtigkeit, die verkommene Straßenräuber zu bestgeeigneten Sachwaltern macht, eine Gottlosigkeit, die dem Christen völlig widerspricht, und doch kümmern die Päpste sich um nichts sonst und führen nur Krieg. Dabei sieht man sogar gichtbrüchige Greise in jugendlicher Geistesfrische, und kein Aufwand ist ihnen zu viel, keine Anstrengung zu mühsam, und es hält sie nichts davon zurück, Gesetze, Religion, Frieden, ja die gesamten Verhältnisse der menschlichen Gesellschaft in Unordnung und Verwirrung zu bringen. Es fehlt auch nicht an gebildeten Schmeichlern, die offenbaren Wahnsinn als Eifer, Frömmigkeit und Tapferkeit hochpreisen, wenn da einer auf Mittel und Wege sinnt, gegen den Bruder mit Meuchelmord vorzugehen, obwohl doch jenes höchste Gebot der Liebe unveränderlich bleibt, die der Christ nach der Weisung Christi dem Nächsten schuldet.
Ich weiß nicht, ob gewisse deutsche Bischöfe das aufgebracht haben oder ob sie sich vielmehr daran ein Beispiel genommen haben. Diese machen viel weniger Umstände, kümmern sich nicht um ihre priesterlichen Funktionen und sonstige Zeremonien und sind so ausschließlich Fürst, daß sie es geradezu als feige und minderwertig für einen Bischof ansehen, anderswo als im Streit Gott ein tapferes Herz zu zeigen. Sogar die einfachen Leutpriester wollen nicht hinter der Heiligkeit ihrer Vorgesetzten zurückstehen und kämpfen mit beachtlichem Kriegermut mit Schwertern, Speeren und Geschossen und jedem Aufgebot an Mordwaffen für ihren Zehnten. Wie luchsäugig sind sie, wenn sie in alten Überlieferungen etwas zur Einschüchterung des armen Volkes ausfindig machen können, und wie wirkungsvoll vermögen sie die Pflicht zur Abgabe des Zehnten zu begründen. Sie vergessen darüber ganz, wieviel man allüberall über ihre eigene Sendung beim Volk liest. Erinnert sie denn nicht wenigstens die Tonsur daran, daß der Priester sich von allen weltlichen Neigungen frei machen muß und nur geistliche Gedanken haben darf?Die possierlichen Menschen glauben aber ihre Sendung zu erfüllen, wenn sie recht und schlecht ihr Stundengebet herunterleiern. Bei Herkules, ich wundere mich nur, ob ein Gott das hört oder versteht, da sie es doch selbst kaum hören oder verstehen, wenn sie die Lippen bewegen.




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